Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
hatte, in diesen Ländern nachrichtendienstliche Informationen über politische und gesellschaftliche Vorgänge zu sammeln. Oder, wie er es formulierte: »Wie weit gehst du etwa beim Ausspionieren der Muslimbruderschaft, wenn du genau weißt, dass du damit [Mubaraks Geheimdienstchef] Omar Suleiman gegen dich aufbringst und er deswegen vielleicht aufhört, dir als guter Partner im Kampf gegen den internationalen Terror beizustehen?«
Rund um die Welt bejubelten Regierungschefs und Politiker den Sturz der verknöcherten nordafrikanischen Diktaturen. Für die unter Schlafmangel leidenden und oft neurotischen Agenten im Counterterrorism Center der CIA dagegen boten die Ereignisse im Frühjahr und Sommer 2011 kaum Anlass zu Optimismus. Nicht nur mussten sie mit ansehen, wie ihre langjährigen engen Verbündeten im Krieg gegen den Terror ohne großes Federlesen von den Schalthebeln der Macht verjagt wurden. Viel beunruhigender war, dass islamistische Gruppen, die seit Jahrzehnten von den Diktatoren in Schach gehalten worden waren – von der Muslimbruderschaft in Ägypten bis hin zu den radikalen Gruppierungen in Libyen, die der libysche Geheimdienst und die CIA gemeinsam ausspioniert hatten – , nun immer mehr politischen Einfluss gewannen. Der Wirbelwind, der die arabische Welt erfasst hatte, könnte, fürchtete man beim CTC , den Wiederaufstieg von al-Qaida und der mit ihr verbündeten Gruppen einläuten.
Den Qaida-Führer in seinem Versteck im obersten Stockwerk eines festungsartig ausgebauten Anwesens im pakistanischen Abbottabad dagegen ließ eben diese Aussicht frohlocken. Im Frühjahr 2011 schickte Osama Bin Laden im Laufe mehrerer Wochen – seinen, wie sich zeigen sollte, letzten Wochen – Brief um Brief an seine Untergebenen und verkündete, dass nun endlich mit den arabischen Revolutionen die Vision Realität wurde, die ihn in den 1990er-Jahren zur Gründung von al-Qaida bewogen hatte. Tatsächlich aber verliefen die Revolutionen ganz anders, als er es vorhergesagt hatte, und die Regierungen in Kairo und Tunis wurden nicht von Qaida-Kämpfern oder denen, die von einem panislamischen Kalifat träumten, vom Sockel gestoßen, sondern von Jugendlichen und jungen Menschen, die in Massen auf Straßen und Plätzen protestierten und ihren Widerstand mithilfe moderner Medientechnologien organisierten.
Doch auch in diesem Chaos sah Bin Laden noch Hoffnung. Voller Schadenfreude schrieb er an einen seiner Leutnants, dass die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton öffentlich die Befürchtung bekundet habe, »die ganze Region könnte in die Hände bewaffneter Islamisten fallen«. Was die Welt »in diesen Tagen der aufeinanderfolgenden Revolutionen« erlebte, sei, schrieb er, »ein historisches und glorreiches Ereignis« und werde »mit Allahs Willen den Großteil der islamischen Welt erfassen«.
14
W IEDER FREI
»Es waren die Amerikaner!
Es war Blackwater!
Es war ein zweiter Raymond Davis!«
Hafis Mohammed Said
Der amerikanische Spion saß seit mehreren Wochen in einer dunklen Zelle im Kot-Lakhpat-Gefängnis, einem Gefängnis in einem Industriegebiet am Rand von Lahore, dem der wenig erfreuliche Ruf vorauseilte, dass viele seiner Insassen unter ungeklärten Umständen zu Tode kamen. Man hatte ihn getrennt von den anderen Gefangenen in einem Trakt der maroden Haftanstalt untergebracht, in dem die Wachen keine Waffen trugen – ein Zugeständnis an seine Sicherheit, das die Amerikaner der Gefängnisführung hatten abtrotzen können. Eine weitere Sicherheitsvorkehrung verdankte der Häftling dem Drängen des US -Konsulats in Lahore: Ein paar Hunde mussten als Vorkoster herhalten und testen, ob Raymond Davis’ Essen nicht mit Gift versetzt war.
Viele hochrangige pakistanische Geheimdienstler sahen in dem Mann, der da in seiner Zelle schmorte, den ersten handfesten Beweis für ihre seit Langem gehegte Vermutung, dass die CIA eine Privatarmee auf pakistanischem Boden aufgebaut hatte, eine Bande schießwütiger Cowboys, die allerlei ruchlosen Aktivitäten nachgingen. Was die CIA selbst anging, warf die Aufdeckung von Davis’ Verbindung zur Agency ein wenig vorteilhaftes Licht auf ein typisches Post-9/11-Phänomen – nämlich darauf, dass sie einige der sensibelsten Jobs an externe Dienstleister und andere Leute ausgelagert hatte, die häufig weder über ausreichende Erfahrung noch die persönliche Eignung verfügten, um in den Konfliktzonen der muslimischen Welt zu arbeiten.
Als drittes Kind eines Maurers
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