Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Diego mehrmals von der Polizei verhaftet, weil er Kontakt zu Prostituierten gesucht hatte. Vor allem aber nahm das FBI 1999 Ermittlungen gegen al-Awlaki wegen vermuteter Beziehungen zu mutmaßlich gewaltbereiten Islamisten im Großraum San Diego auf – ein Verdacht, der sich unter anderem auf seiner Tätigkeit für eine dort ansässige islamische Wohlfahrtsorganisation gründete. Er hatte sogar Kontakt zu zwei der späteren 9/11-Attentäter, Khalid al-Mihdhar und Nawaf al-Hazmi, die beide in seiner Moschee beteten und an Veranstaltungen mit dem Prediger teilnahmen.
Allerdings ergaben die Ermittlungen zu seinen Tätigkeiten keine weiteren Verdachtsmomente, und zum Zeitpunkt der Anschläge vom 11. September 2001 war er bereits ins nördliche Virginia umgezogen, wo er an einer großen Moschee in einer Washingtoner Vorstadt predigte. Al-Awlaki, der seine Predigten gerne mit Bezügen zur Popkultur und zur amerikanischen Geschichte ausschmückte, durfte bald die Aufmerksamkeit der Medien genießen – immer wieder wurde er von Journalisten gebeten, den amerikanischen Zeitungslesern die Grundzüge des Islams zu vermitteln. Er galt sogar als eine Art Stimme der Mäßigung, beteiligte sich an einem Onlinechat der Washington Post zum Ramadan und nahm an einem Gebetsfrühstück im Pentagon teil. »Wir sind hierhergekommen, um aufzubauen, nicht um zu zerstören«, verkündete er bei einem seiner Auftritte und bezeichnete sich und die anderen Imame in den Vereinigten Staaten als »eine Brücke zwischen den Amerikanern und den weltweit eine Milliarde Muslimen«.
Doch die vermeintliche Stimme der Mäßigung schlug bald schon ganz andere Töne an. 2002 , nach einer Razzia, deren Ziel muslimische Wohlfahrtsorganisationen und andere von Muslimen betriebene Einrichtungen waren, warf al-Awlaki der Regierung Bush öffentlich vor, aus dem Krieg gegen den Terror einen Krieg gegen die Muslime gemacht zu haben. Kurz darauf verließ er die Vereinigten Staaten und ging nach London, wo er rasch eine begeisterte Anhängerschaft unter den jungen Gläubigen fand, die seinen feurigen Predigten und seinen auf CD aufgenommen und im Set verkauften religiösen Vorträgen lauschten. Trotz seiner wachsenden Popularität aber fiel es ihm schwer, für seinen Unterhalt in Großbritannien aufzukommen, und so kehrte er 2004 in den Jemen zurück, um von hier aus seine Predigten zuerst in Internetchatrooms und später via YouTube weltweit zu verbreiten.
Dass al-Awlaki seine Reden auf Englisch hielt, begrenzte zwar seinen Einfluss in der muslimischen Welt, dennoch stachelte er mit seiner ätzenden amerikafeindlichen Rhetorik einige seiner Anhänger zu gewaltsamen Aktionen auf. Einer von ihnen war Umar Farouk Abdulmutallab, jener junge nigerianische Student, der am ersten Weihnachtsfeiertag 2009 mit einer Bombe in der Unterhose in Amsterdam ein Flugzeug bestieg und diese beim Landeanflug auf Detroit zu zünden versuchte. Mehrere Monate zuvor hatte Abdulmutallab einen Aufsatz darüber verfasst, warum er in den Dschihad ziehen wolle, und diesen an al-Awlaki geschickt. Je mehr die amerikanischen Ermittler den Hintergründen des gescheiterten Anschlags des »Unterhosenbombers« auf die Spur kamen, umso besser verstanden sie die Rolle, die al-Awlaki inzwischen bei al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel spielte. Der mittlerweile achtunddreißig Jahre alte Prediger mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, der sich einst als Amerikas »Brücke« zur muslimischen Welt bezeichnet hatte, war keineswegs bloß einer von vielen Hetzpredigern des digitalen Zeitalters, der im Internet den Hass auf die Ungläubigen schürte. Nein, al-Awlaki ließ seinen Worten auch Taten folgen und half der Terrorgruppe dabei, eine ganze Welle von Anschlägen gegen die Vereinigten Staaten durchzuführen.
John Brennan, der enge Beziehungen zum saudischen Geheimdienst unterhielt und vom Weißen Haus aus schon den verdeckten Krieg der USA im Jemen geführt hatte, war überzeugt, dass al-Awlaki der Hauptverantwortliche für die strategische Neuausrichtung der regionalen Qaida-Gruppe war. Die Terrororganisation hatte zwar schon lange global gedacht, aber bislang nur lokal agiert und ihre Anschläge vor allem gegen Ziele in Saudi-Arabien gerichtet. Nun aber, da Bin Laden und seine Anhänger in Pakistan immer mehr in die Defensive gedrängt wurden, hielt man bei der AQAP offenbar die Zeit für gekommen, gegen den Großen Satan selbst ins Feld zu ziehen. Und Brennan glaubte, dass es vor allem
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