Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Führungsoffiziere und Analysten, so hatte Hayden es erlebt, konnten völlig in ihrer Arbeit aufgehen, sich zugleich aber höchst eigenwillig gerieren; sie salutierten nicht, wie es sich gehörte, und scherten sich gelegentlich wenig um die Befehlskette. Dann wandten sich die beiden ernsthafteren Themen zu, und Hayden sprach Petraeus gegenüber eine Warnung aus.
Die CIA habe sich verändert, sagte er, vielleicht sogar dauerhaft, und inzwischen bestehe die reale Gefahr, dass der Geheimdienst zu einer Art kleineren Geheimausgabe des Pentagons verkam.
»Nie hat die CIA dem OSS mehr geähnelt als heute«, meinte Hayden und bezog sich dabei auf den dem Kriegsministerium unterstellten und von William Donovan geleiteten Vorläufer der Agency, der im Zweiten Weltkrieg zahlreiche militärische Geheimdienstoperationen durchgeführt hatte. Nach einem Jahrzehnt der geheimen Kriegsführung betrieb die CIA , so Hayden, fast nur noch gezielte Tötungsoperationen und Menschenjagden, und sollte das so weitergehen, dann könnte die Agency, warnte ihr Ex-Direktor, eines Tages ihre Fähigkeit verlieren, das zu tun, wozu sie eigentlich da war: spionieren.
»Die CIA ist nicht das OSS «, fuhr Hayden fort. »Sie ist der globale Geheimdienst der Nation. Und Sie müssen sich irgendwie Zeit freischaufeln, um neben der Terrorbekämpfung auch andere Aufgaben anzupacken.«
Nun hatte Hayden natürlich selbst in nicht geringem Maße dazu beigetragen, diese Transformation zu beschleunigen. Der Spionagedienst, der nach dem 11. September 2001 als träge und risikoscheu verspottet worden war, hatte sich unter den wachsamen Augen vier aufeinanderfolgender Direktoren in eine Tötungsmaschine verwandelt. In dem langen, heißen Sommer, der Pakistan in den Monaten nach Bin Ladens Ermordung fest im Griff hielt, tötete die CIA eine ganze Reihe hochrangiger Qaida-Kämpfer, darunter auch Atijah Abd al-Rahman, der Bin Laden in seiner Zeit in Abbottabad als Verbindung zur Außenwelt gedient hatte. In Washington gab es Leute, die Präsident Obama mit Michael Corleone in den letzten Minuten des Mafia-Thrillers Der Pate verglichen, in denen er seinen Leutnants ganz cool befiehlt, seine Feinde in einer präzise geplanten Gewaltorgie auszulöschen.
Dreieinhalb Jahrzehnte zuvor, als die schmutzigen Details des CIA -Programms zur Ermordung ausländischer Staatschefs an die Öffentlichkeit gelangt waren, hatte der damalige US -Präsident Gerald Ford der Agency per Executive Order die Durchführung von Attentaten untersagt, ein Verbot, von dem er hoffte, dass es künftige Präsidenten davor bewahren würde, sich allzu leichtfertig auf »schwarze« Operationen einzulassen. Aber in den zehn Jahren seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hatten Heerscharen von Regierungsanwälten umfangreiche Rechtsgutachten dazu verfasst, warum von der CIA und vom Joint Special Operations Command fernab offizieller Kriegsgebiete durchgeführte gezielte Tötungsoperationen nicht gegen das von Präsident Ford erlassene Verbot verstießen. So, wie Präsident Bushs Rechtsexperten den Begriff Folter neu definiert hatten, um die von der CIA und dem Militär angewendeten verschärften Verhörmethoden zu legitimieren, hatten Präsident Obamas Anwälte nun den amerikanischen Geheimdiensten einen Freibrief zur Durchführung gezielter Tötungsaktionen verschafft.
Einer von Obamas Topjuristen war Harold Koh, der seinen Posten als Dekan an der Yale Law School aufgegeben hatte, um nach Washington zu kommen. Koh hatte unter der Linken zu den erbittertsten Kritikern des von der Regierung Bush initiierten Kriegs gegen den Terror gezählt und die Verhörmethoden der CIA – einschließlich Waterboarding – als illegale Folter verurteilt. Doch nun, als oberster Rechtsberater des US -Außenministeriums, musste er sich endlose Stunden durch voluminöse Geheimdienstberichte ackern, um sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die Menschen, in denen es in diesen Berichten ging, leben durften oder sterben mussten. In seinen öffentlichen Reden verteidigte Koh die gezielten Tötungen der Regierung Obama mit Zähnen und Klauen und führte als Begründung an, dass in Kriegszeiten amerikanische Regierungen von der Pflicht befreit seien, ein normales rechtmäßiges Verfahren durchzuführen, bevor sie einen Terrorverdächtigen auf eine Abschussliste setzten.
Hin und wieder, in Momenten der Besinnung, sprach er aber auch von der psychologischen Belastung, so viel Zeit mit der Lektüre der Biografien zumeist
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