Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
junger Männer zu verbringen, deren Tötung die Vereinigten Staaten in Erwägung zogen. »Als Dekan der Yale Law School studierte ich viele, viele Stunden die Lebensläufe junger Leute, Studenten Anfang, Mitte zwanzig, und versuchte zu entscheiden, wer von ihnen zum Studium zugelassen werden sollte und wer nicht«, erklärte er einmal in einer Rede. »Heute verbringe ich eine vergleichbare Menge Zeit damit, die Lebensläufe von Terroristen durchzuarbeiten, von jungen Männern im selben Alter wie meine Studenten damals. Darüber, wie sie rekrutiert wurden. Über ihren ersten Einsatz. Ihren zweiten Einsatz. Oftmals bin ich mit ihrem Hintergrund ebenso gut vertraut, wie ich es mit dem meiner Studenten war.«
Gerade in einer Zeit, als die Drohnenangriffe massiv ausgeweitet wurden, sorgte Präsident Obama für ein Stühlerücken an der Spitze seines nationalen Sicherheitsteams. In gewisser Weise war dies das logische Ende eines Jahrzehnts, in dem die Tätigkeit von Soldaten und die von Agenten kaum noch zu unterscheiden waren. Leon Panetta, der als ihr Direktor den Umbau der Agency in eine Militärorganisation nach Kräften vorangetrieben hatte, übernahm das Pentagon. Im Gegenzug berief Obama General Petraeus an die Spitze der CIA – den Viersternegeneral, der 2009 geheime Befehle abgezeichne t hatte, mit denen die massive Ausweitung der Spionageoperationen des Militärs im Nahen und Mittleren Osten autorisiert wurden.
In den vierzehn Monaten, die Petraeus in Langley am Ruder saß, bevor er wegen einer außerehelichen Affäre mit seiner Biografin schmählich davongejagt wurde, hatte er eben den Kurs weiterverfolgt, vor dem Hayden ihn gewarnt hatte. Petraeus forderte vom Weißen Haus zusätzliche Mittel für den Ausbau der Drohnenflotte der CIA und brüstete sich vor Kongressangehörigen damit, dass die Agency unter seiner Führung mehr verdeckte Operationen ausführte als jemals zuvor in ihrer Geschichte. Vor allem aber befahl er nur ein paar Wochen nach seinem Amtsantritt in Langley eine Aktion, wie sie bis dahin noch kein CIA -Direktor angeordnet hatte: die gezielte Tötung eines amerikanischen Staatsbürgers.
Zur selben Zeit, als Petraeus die CIA übernahm, rückte ein bebrillter, etwas eulenhaft wirkender radikaler Prediger mit einem buschigen schwarzen Bart und einer vor Hass und Wut triefenden Botschaft an die Spitze der amerikanischen Kill-Liste – jener von John Brennan, dem Antiterrorberater des Weißen Hauses, in seinem Büro im Kellergeschoss geführten Aufstellung der zur Tötung freigegebenen Zielpersonen. Nachdem Bin Laden tot war und der fortdauernde Drohnenkrieg die Reihen von al-Qaida in Pakistan zusehends gelichtet hatte, konzentrierten sich die Antiterrorbeamten in Washington verstärkt auf die vom Jemen und von al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel ( AQAP ) ausgehende Gefahr. Und damit rückte Anwar al-Awlaki in den Fokus der Terroristenjäger.
Es war ein langer Weg für al-Awlaki, bis er es so weit gebracht hatte, von den Vereinigten Staaten als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft zu werden. Geboren 1971 in New Mexico, hatte er seine Kindheit in den USA verbracht, während sein Vater, Nasser al-Awlaki, ein prominenter Jemenit, der später unter Präsident Saleh als Landwirtschaftsminister dienen sollte, an der New Mexico State University Agrarökonomie studierte. Sieben Jahre später kehrte der Vater mit der Familie in den Jemen zurück, wo Anwar lebte, bis er Anfang der 1990er-Jahre zum College-Studium wieder in die Vereinigten Staaten ging.
An der Colorado State University, wo er sich eingeschrieben hatte, wurde Anwar zum Präsidenten des muslimischen Studentenverbands der Universität gewählt, tat sich allerdings schwer mit der streng konservativen Variante des Islam, die einige seiner Kommilitonen praktizierten und nach der Sex und Alkohol verboten waren. Nach seinem Abschluss blieb er in Colorado und arbeitete, sehr zur Verärgerung seines Vaters, als Prediger an eine Moschee in Fort Collins. Nasser hatte sich für seinen Sohn eigentlich eine lukrativere Betätigung erhofft, aber Anwar gab nicht nach, und einige Jahre später zog er weiter nach San Diego, wo er die Stelle des Imams an einer am Stadtrand gelegenen Moschee annahm.
Dort predigte Anwar, dessen religiöse Ansichten nach und nach konservativer wurden, häufig von der Notwendigkeit, ein Leben in Reinheit zu führen. In seinem Privatleben allerdings nahm er es mit der Reinheit nicht so genau. So wurde er in San
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