Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
während über ihnen unablässig die Predator kreiste und ihre Flucht überwachte. Das gesamte US -Personal und die Leichen der insgesamt vier bei dem Angriff getöteten Amerikaner wurden nach Tripolis ausgeflogen – und alle Operationen in Bengasi, das der CIA als Zentrale für die Geheimdienstarbeit in Libyen gedient hatte, eingestellt.
Der Angriff hatte zur Folge, dass die CIA in Libyen praktisch blind war. Und angesichts ihrer seit einem Jahrzehnt zunehmenden Ausrichtung auf paramilitärische Operationen treibt viele aktive und ehemalige Spione die Sorge um, dass die Agency, wenn auch aus anderen Gründen, in vielen weiteren Regionen ebenso blind sein könnte. Die in sich geschlossene CIA -Gemeinde hat sich fundamental verändert, und eine ganze Generation nachrückender CIA -Agenten ist im Krieg sozialisiert worden. Nur eine Generation zuvor war CIA -Rekruten wie Ross Newland noch eingebläut worden, dass die Agency auf keinen Fall wieder in das Geschäft des Tötens einsteigen dürfe; viele der CIA -Beamten, die nach dem 11. September 2001 zur Agency gestoßen sind, haben sich praktisch ausschließlich mit Mord und Menschenjagd befasst. Diese neue Generation kennt den Adrenalinrausch, den Einsätze an der Front erzeugen, besser als die geduldige, »sanfte« Arbeit der Informationsbeschaffung und klassischen Spionage. Diese Arbeit kann ermüdend, sogar langweilig sein, und ein früherer CIA -Spitzenbeamter brachte es auf den Punkt: »Wie kann man diese Leute auf der Farm festhalten, wenn sie schon die glitzernden Lichter der Großstadt gesehen haben?«
Viele hohe CIA -Beamten sprechen voller Stolz davon, wie sie al-Qaida in Pakistan per Drohnenkrieg massiv dezimiert und die zusehends schwindende Gefolgschaft Osama Bin Ladens gezwungen haben, sich nach neuen Verstecken umzuschauen – im Jemen, in Somalia, in Nordafrika oder in irgendeinem anderen dunklen Winkel der Welt. Und viele von ihnen preisen das Drohnenprogramm als die erfolgreichste Geheimoperation in der gesamten Geschichte der CIA .
Manche von denen aber, die beim Aufbau des CIA -Drohnenprogramms mit dabei gewesen waren – und die die vom Geheimdienst nach dem 11. September 2001 neu ausgestellte Lizenz zum Töten bejubelt hatten – , sehen das inzwischen sehr viel skeptischer. Ross Newland hält nach wie vor große Stücke auf die Drohnen, eine Waffe, die es den Vereinigten Staaten erlaube, Krieg zu führen, ohne Feindgebiete mit Flächenbombardements zu belegen oder wahllos Artilleriegranaten auf irgendwelche abgelegenen pakistanischen Dörfer abzufeuern. Aber er findet auch, dass die CIA ihre heiß geliebten Predator- und Reaper-Drohnen schon vor Jahren hätte ausmustern sollen. Die Fähigkeit, Gegner bequem und gefahrlos per Fernbedienung eliminieren zu können, sei, sagt er, wie eine »Droge«, und mit ihren Drohnenangriffen habe sich die CIA in Ländern wie Pakistan, in denen es doch eigentlich darauf ankommt, im Interesse einer effektiven Informationsbeschaffung enge Beziehungen zu pflegen und zu hegen, selbst zum Bösewicht gemacht. Am Ende, warnte Newland, »schadet der Drohnenkrieg der CIA nur. So etwas gehört einfach nicht zu den Aufgaben eines Geheimdiensts.«
Eine noch wichtigere Rolle im beginnenden Drohnenzeitalter hatte Richard Blee gespielt. Als Leiter der in den 1990er-Jahren gegründeten Alec Station, der eigens für die Jagd auf Bin Laden aufgebauten Einheit innerhalb des Counterterrorism Center der CIA , gehörte Blee zu einem kleinen Haufen fanatischer Antiterrorkämpfer, welche die Restriktionen zum Teufel wünschten, die man der Agency seit Mitte der 1970er auferlegt hatte. Zusammen mit seinem Boss, J. Cofer Black, drängte Blee darauf, der CIA die Befugnis zur Tötung Bin Ladens und seiner Helfershelfer zu geben. Im Sommer 2001 konnte Blee auf einem Leitstand inmitten der kalifornischen Mojave-Wüste mitverfolgen, wie die von einer Predator abgefeuerten Raketen einen Nachbau der Tarnak-Farm, Bin Ladens Trainingslager für Terroristen in Afghanistan, in Schutt und Asche legten. Dann, nur wenige Wochen später, am 11. September 2001 , musste er den Tod vieler tausend Menschen in New York mit ansehen, und fragte sich, ob er und seine Kollegen nicht mehr hätten tun können, um die Anschläge zu verhindern. Auf seinem Schreibtisch thront bis heute ein Trümmerteil des zerstörten Nachbaus der Tarnak-Farm.
Blee hat die Agency schon vor Jahren verlassen, und seit seiner Pensionierung plagen ihn immer mehr Zweifel am Sinn
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