Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
ausgeliehen hatte, ein schlankes, insektenartiges Fluggerät mit der Bezeichnung RQ -1 Predator. Die CIA hatte mit der Drohne die Positionen serbischer Truppen ausgespäht, und hohe Beamte des Geheimdiensts machten den Vorschlag, im Weißen Haus Bildschirme zu installieren, damit Clinton und seine Berater die Übertragung der Drohnen live verfolgen könnten. Blair bewunderte die Initiative der CIA , was die neuen Einsatzmöglichkeiten des Geräts betraf, hielt es aber dennoch für eine Verschwendung der kostbaren Zeit des Präsidenten, die Aktivität von Drohnen zu verfolgen. Er hatte den Verdacht, dass die Operationsabteilung bei Clinton nur mit ihrem neuen Spielzeug angeben wollte, und er erinnert sich an folgende Auseinandersetzung:
»›Was soll der Präsident damit anfangen?‹«, fragte ich. Und sie antworteten: ›Das muss ins Weiße Haus, falls der Präsident wissen will, was in Bosnien vorgeht.‹ Und ich sagte: ›Das ist lächerlich! Der Präsident wird doch nicht durch diesen kleinen Strohhalm schauen!‹«
Am Ende ergriff Deutch für Blair Partei, und die CIA übertrug die Predator-Aufnahmen nicht ins Weiße Haus. Es war ein dummer Streit, doch für Blair wurde durch diese Episode und die anderen Kämpfe, die er mit dem operativen Dienst der CIA austrug, sehr deutlich, dass das Directorate of Operations jeden wegbeißen würde, der versuchte, seinen direkten Zugang zum Oval Office zu blockieren.
Mehr als ein Jahrzehnt später sollte Blair unter einem anderen demokratischen Präsidenten noch einmal wagen, sich zwischen die CIA und das Weiße Haus zu stellen – mit fatalen Folgen für seine Karriere.
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R UMSFELDS S PIONE
»Wir haben unsere eigene CIA geschaffen, aber wie Topsy, ohne Koordination und Kontrolle.«
Der stellvertretende Verteidigungsminister Frank Carlucci, 1982
»Ist es angesichts des Zustands unserer Welt vielleicht denkbar, dass die Streitkräfte in solchen Situationen nicht fast gänzlich von der CIA abhängig sein sollten?«
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, 2001
Im November 2001 , als Teams von amerikanische Green Berets, CIA -Agenten und afghanische Warlords die Soldaten der Taliban aus Kabul und Kandahar vertrieben, flog Donald Rumsfeld nach Fort Bragg in North Carolina, einem weitläufigen Stützpunkt in Fayetteville, der seit Jahren große Einheiten amerikanischer Spezialeinsatzkräfte beherbergte. Der Besuch war vor allem als Anerkennung für gute Leistungen gedacht. Rumsfeld wollte sich bei den Kommandeuren der Spezialeinsatzkräfte persönlich für den – bis dahin – erstaunlich reibungslosen Verlauf der Invasion in Afghanistan bedanken.
Nach einem Morgen voller Glückwünsche und PowerPoint-Präsentationen wurde er zu einem ummauerten Gebäudekomplex gefahren, der sich auf dem Gelände von Fort Bragg neben der benachbarten Pope Air Force Base erstreckte. Er war der Sitz des Joint Special Operations Command ( JSOC ), einer streng geheimen Organisation, die vor allem aus Mitgliedern der Delta Force und Mitgliedern der Naval Special Warfare Development Group bestand, die allgemein als SEAL Team Six bezeichnet wurde. Das JSOC war ein kleinerer operativer Arm des U.S. Special Operations Command, und das Pentagon gab damals nicht einmal zu, dass es existierte.
Nun veranstaltete es eine Show für den Verteidigungsminister. Um seine Fähigkeit zu demonstrieren, unentdeckt fremde Länder mit Kommandotruppen zu infiltrieren, sprangen Fallschirmspringer aus einem Flugzeug ab und landeten direkt vor Rumsfeld. Einer von ihnen trug einen Anzug und hatte einen Aktenkoffer dabei. Er machte sich von seinem Fallschirm los und verließ in seinen spitzen Halbschuhen die Landezone. Rumsfeld wurde auch in ein Shoot House mitgenommen, wo er einer Geiselbefreiungsübung zusehen durfte, bei der eine Spezialeinheit alle Geiselnehmer »tötete«, während die Geiseln unverletzt blieben. Der Minister war hingerissen.
Die Spezialeinsatzkräfte hatten bereits einige Erfahrung mit der Präsentation ihrer Fähigkeiten. Schon 1986 war der Abgeordnete im Repräsentantenhaus Dick Cheney zu einem eintägigen Treffen mit Kommandeuren der Delta Force nach Fort Bragg gekommen und hatte sich darüber informieren lassen, wie die Delta Force Datenbanken verwendete, um Informationen über mögliche terroristische Bedrohungen zu gewinnen. Mitten in einer Informationsveranstaltung über LexisNexis – einen heute allgegenwärtigen elektronischen Informationsdienst, der damals noch relativ neu war –
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