Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
ausgehandelten Friedensverträge waren, wie Munir inzwischen glaubt, mitverantwortlich für den Aufstieg einer ebenso mächtigen wie tödlichen Gruppierung in Pakistan, die als die pakistanischen Taliban – Tehrik- i-T aliban Pakistan – bekannt werden sollte.
»Wenn sie [die pakistanischen Truppen] die Operation 2004 einfach durchgezogen hätten, und zwar in Nord- und in Süd-Waziristan«, hätten sich die Taliban niemals bis in viel näher an Islamabad gelegene Gebiete ausbreiten können. »Mit jedem Friedensvertrag haben sie an Stärke gewonnen und mehr Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht und haben die Menschen, weil der Staat sich nicht einmischte, begonnen, in ihnen die eigentlichen Machthaber zu sehen.«
In Islamabad brüstete sich derweil die Regierung, mit dem Friedensvertrag einen Keil zwischen die pakistanischen Militanten einer- und die Qaida-Kämpfer andererseits getrieben zu haben. Nek Muhammad bestritt denn auch weiterhin öffentlich jegliche Anwesenheit von Qaida-Angehörigen in den Stammesgebieten. »Hier gibt es keine al-Qaida«, beteuerte er. »Gäbe es hier auch nur einen einzigen Qaida-Kämpfer, hätte die Regierung ihn inzwischen doch längst geschnappt.«
Das Friedensabkommen von Shakai mehrte Nek Muhammads Ruhm ganz enorm. Nachdem er praktisch im Alleingang die Regierung in Islamabad in die Knie gezwungen hatte, sah er sich schon in einer Reihe mit den legendären wazirischen Stammeskriegern stehen, die die Briten einstmals aus den Bergen verjagt hatten. Der vermeintliche Frieden entpuppte sich denn auch binnen weniger Wochen als Schwindel. Nek Muhammad nahm die Angriffe auf pakistanische Truppen wieder auf – und Musharraf befahl seiner Armee, die Offensive in Süd-Waziristan fortzusetzen.
In Islamabad hatten CIA -Beamte seit Monaten auf eine Freigabe für Predator-Einsätze in den Stammesgebieten gedrängt, und mit der neuerlichen Demütigung der pakistanischen Armee durch Nek Muhammad hatten sich ihre Chancen deutlich verbessert. Der CIA -Stationschef in Islamabad stattete Generalleutnant Ehsan ul-Haq einen Besuch ab und unterbreitete dem ISI -Generaldirektor ein Angebot: Wenn die CIA Nek Muhammad tötete, würde der ISI den Amerikanern dann regelmäßige Drohnen-Flüge über die Stammesgebiete gestatten? Nek Muhammad hatte die Pakistaner offenbar richtig sauer gemacht, erinnerte sich der Stationschef später, denn die Antwort lautete: »Wenn Ihre Leute ihn finden können, dann sollen sie sich ihn schnappen.«
Aber an die Freigabe waren Bedingungen geknüpft. Der pakistanische Geheimdienst bestand darauf, dass ihm jeder einzelne Drohnenangriff vorab zur Genehmigung vorgelegt wurde und sicherte sich somit eine umfassende Kontrolle über die Kill-Liste der Amerikaner. In den intensiv geführten Verhandlungen über den Drohneneinsatz setzte der ISI zudem eine Beschränkung auf eng begrenzte »Flugzonen« innerhalb der Stammesgebiete durch – ein umfangreicherer Zugang hätte der CIA Gelegenheit gegeben, sich auch in Gegenden umzuschauen, die Islamabad vor den Augen der Amerikaner verborgen wissen wollte: etwa die pakistanischen Atomanlagen oder die Camps der militanten Gruppen im Bergland von Kaschmir, wo sie für Angriffe gegen Indien trainiert wurden.
Darüber hinaus bestanden sie darauf, dass sämtliche Drohneneinsätze in Pakistan als verdeckte CIA -Operationen auszuführen seien – mit anderen Worten, die Vereinigten Staaten würden sich niemals offiziell zu den Raketenangriffen bekennen und Pakistan entweder die Lorbeeren für einzelne Tötungen überlassen oder einfach Stillschweigen bewahren. Präsident Musharraf war überzeugt, dass das Arrangement niemals auffliegen würde, und irgendwann während der Verhandlungen meinte er zu einem CIA -Offiziellen: »In Pakistan fallen laufend Dinge vom Himmel runter.«
Aber auch ohne die ihr von den Pakistanern auferlegten Einschränkungen wäre die CIA zu der Zeit gar nicht in der Lage gewesen, eine umfangreichere Tötungskampagne in den pakistanischen Stammesgebieten aufzuziehen. Sie verfügte weder über nennenswerte Geheimdienstquellen in dem Gebiet noch über halbwegs zuverlässige Informationen darüber, wo sich Bin Laden oder einer der anderen Qaida-Führer versteckt halten könnte. CIA -Analysten vermuteten Bin Laden und Aiman al-Sawahiri zwar irgendwo in den Stammesgebieten, aber vage Verdächtigungen und diffuse Berichte aus dritter Hand taugten kaum als Grundlage für erfolgreiche Predator-Einsätze. Und der ISI war auch
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