Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Gefängnisprogramms vernichtet waren, bedeutete das vom Kongress beschlossene neue Gesetz neue Unwägbarkeiten für die CIA . Nur Tage nach der Verabschiedung des Detainee Treatment Acts setzte CIA -Direktor Porter Goss einen Brief an das Weiße Haus auf. Die CIA werde, kündigte er an, sämtliche Verhöre auf Eis legen, bis das Justizministerium eine Beurteilung darüber vorlegte, ob das Vorgehen der CIA gegen das neue Gesetz verstieß.
Im Weißen Haus löste das Schreiben erheblichen Unmut aus. Der Nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley hielt Goss’ Memo für pure Show – die CIA wolle sich nur für den Fall künftiger Ermittlungen absichern. Hadley rief den CIA -Direktor am ersten Weihnachtsfeiertag zu Hause an und warf ihm vor, er sei kein »Teamplayer«. Aber Goss blieb hart, und im Weißen Haus erkannte man, dass die CIA , die paranoideste Behörde in ganz Washington, so lange weiter hyperventilieren würde, bis man etwas unternahm, das geeignet war, die Spione zu besänftigen.
Der Job ging an Andrew Card, Präsident Bushs Stabschef. Card fuhr hinaus nach Langley, um im CIA -Hauptquartier für gut Wetter zu sorgen, doch sein Besuch geriet zum Desaster. In einem voll gepackten Konferenzsaal dankte Bushs Stabschef den versammelten CIA -Beamten zwar für ihren Dienst an der Nation und ihren engagierten Einsatz, weigerte sich aber, eine klare Zusicherung abzugeben, dass die an dem Inhaftierungs- und Verhörprogramm beteiligten Agenten nicht strafrechtlich belangt würden.
Im Saal kam Unruhe auf. Porter Goss, von seinem Stabschef Patrick Murray gedrängt, fiel Card ins Wort.
»Können Sie«, wollte Goss wissen, »diesen Leuten hier versichern, dass die Politiker in Washington denjenigen, die dieses Programm durchgeführt haben, nicht den Rücken zuwenden werden?« Statt die Frage direkt zu beantworten, versuchte es Card mit einem Witz.
»Lassen Sie es mich so formulieren«, sagte er. »Jeden Morgen klopfe ich an die Tür zum Oval Office, trete ein und sage: ›Pardon, Mr President.‹ Und natürlich, der Einzige, dem der Präsident kein Pardon gewähren kann, ist er selbst.«
Card kicherte, nachdem er seinen Witz erzählt hatte – aber er war der Einzige im Saal, der ihn lustig fand. Kein Wunder: Schließlich hatte der Stabschef des Weißen Hauses unmittelbar davor auf die Frage, ob Präsident Bush die CIA -Agenten vor strafrechtlicher Verfolgung schützen würde, geantwortet, dass sie im besten Falle auf ein Pardon des Präsidenten hoffen könnten, nachdem die Anklagen erhoben und die Urteile verkündet worden wären.
Bei der CIA kommen Begnadigungswitze nicht sonderlich gut an.
In den Augen etlicher Berater Präsident Bushs entwickelte sich die Agency zusehends zu einem Problem. Während der Direktor der Agency wegen des Verhörprogramms einen Kleinkrieg mit dem Weißen Haus anzettelte, war Vizepräsident Cheney zur Überzeugung gelangt, dass die CIA -Analysten insgeheim den Krieg im Irak ablehnten und negative Lagebewertungen an Mitglieder des Kongresses und an die Medien durchsteckten. Sosehr sich Bush und Cheney ursprünglich gegen die Forderung der 9/11-Kommission gesträubt hatten, den Posten eines Nationalen Geheimdienstdirektors zu schaffen, sahen nicht wenige im Weißen Haus nun einen willkommenen Nebeneffekt der neu eingerichteten Instanz: Sie verwies die CIA in die Schranken.
Eine angeschlagene CIA bot Donald Rumsfeld eine willkommene Gelegenheit. Die sich verschlechternde Situation im Irak hatte dem Triumphalismus Rumsfelds und seines Stabs einen gehörigen Dämpfer versetzt, dennoch hielt der Verteidigungsminister weiter an seiner Strategie fest, Krieg auch weit entfernt von erklärten Kriegszonen zu führen – in Ländern, die historisch gesehen das Spielfeld der CIA gewesen waren. 2004 erließ Rumsfeld eine im Pentagon intern als »Al Qaeda Network Execute Order« – »Exekutionsorder für das Qaida-Netzwerk« – bezeichnete Geheimdirektive, die den Spezialeinsatzkräften des Pentagons deutlich mehr Kompetenzen für Tötungen, Gefangennahmen und Spionagetätigkeiten in über einem Dutzend Länder einräumte. Mit der Anordnung bekam das Joint Special Operations Command, die in Fort Bragg stationierte und von Rumsfeld als Vorbild des neuen Armeetypus für die Kriegführung nach dem 11. September gekürte Sondereinheit, umfassende Befugnis, in einem weit gespannten geographischen Bogen, der sich von Nordafrika bis hinüber zu den Philippinen zog, eigenständig Operationen
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