Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
aber für den Fall, dass in einem Land wie Pakistan möglichst schnell über einen geheimen Einsatz entschieden werden musste, verfügten weder der Verteidigungsminister noch der CIA -Direktor über die alleinige Befehlsautorität. Also ging man – ganz im Sinne einer effektiveren Arbeitsteilung – im Laufe des folgenden Jahres daran, die Welt untereinander aufzuteilen und festzulegen, wer wo für welche Front des geheimen Kriegs zuständig war.
Für das Pentagon führte Stephen Cambone die Verhandlungen, für die Agency ihr stellvertretender Direktor, Vizeadmiral Albert Calland. Ob die CIA oder das JSOC für die Geheimoperationen in einem bestimmten Land verantwortlich sein würde, hing von einer Vielzahl von Faktoren ab: Wie groß war die Bereitschaft des Landes, Spezialeinsatzkräfte auf seinem Territorium operieren zu lassen? Wie gut (oder schlecht) das Verhältnis zwischen der CIA und dem Geheimdienst des jeweiligen Landes? Wie allergisch würde der lokale CIA -Stationschef auf die Anordnung reagieren, die Kontrolle über die Geheimoperationen in seinem Land an das JSOC abzutreten?
Wegen der Bajaur-Sache stand Pakistan bei den Verhandlungen ganz oben auf der Liste. Präsident Musharraf hatte den Drohneneinsätzen seinen Segen erteilt, lehnte aber nach wie vor ganz entschieden amerikanische Kampfeinsätze in den Stammesgebieten ab. Wenn etwas »vom Himmel fiel«, war das in Ordnung, nicht aber, wenn es von Afghanistan aus über die Grenze marschiert kam. Musharraf die Erlaubnis für Bodenkampagnen von Spezialeinsatztruppen in Gebieten wie Nord-Waziristan und Bajaur abringen zu wollen, war, darin stimmten die meisten Leute in Washington überein, ein von vornherein hoffnungsloses Unterfangen.
Die CIA hatte dafür eine Lösung parat: Um Special-Operations-Truppen nach Pakistan zu bringen, brauchte man sie nur der Agency zu unterstellen und gemäß der ihr in Title 50 gewährten Autorität für verdeckte Operationen einzusetzen. Das Zauberwort hieß im CIA -Jargon »Sheep-dipping« und bezeichnete die (leihweise) Umwandlung von SEAL s in CIA -Agenten. Damit konnten die nun formell zur CIA gehörenden Special-Operations-Truppen Operationen in Pakistan durchführen, und Musharraf würde niemals davon erfahren. Damit wurden die Spezialeinsatzkräfte, wie ein ehemaliger CIA -Beamter das Arrangement beschrieb, »praktisch zum bewaffneten Arm des CIA -Direktors«.
Exakt derselbe Trick sollte sechs Jahre später zur Anwendung kommen, als von der Bagram Airbase im afghanischen Dschalalabad mehrere Hubschrauber mit Navy-Seal-Teams an Bord über die Grenze zu dem Einsatz nach Pakistan flogen, der Osama Bin Laden das Leben kostete. In dieser Nacht standen die SEAL s unter dem Befehl der CIA , die Mission wurde technisch gesehen von CIA -Direktor Leon E. Panetta geleitet.
In anderen Ländern hatte das JSOC die Federführung inne, und wo, wie auf den Philippinen, bereits Spezialeinsatzkräfte stationiert waren, stieg die Zahl der Kommandoeinsätze rapide an. Auf der Basis nachrichtendienstlicher Informationen, dass sich Umar Patek, einer der Drahtzieher der Terrorattacken von 2002 auf Bali, dort versteckt hielt, feuerte 2006 eine amerikanische Militärdrohne Raketen auf ein mutmaßliches Terrorlager im südphilippinischen Dschungel. Der Raketenangriff, den die Regierung in Manila öffentlich als »philippinische Militäroperation« präsentierte, verfehlte Patek, tötete dafür aber zahlreiche andere Personen.
Wie viele davon Gefolgsleute von Umar Patek waren und wie viele unbeteiligte Frauen und Kinder, konnte das Militär niemals genau ermitteln.
Ausgestattet mit immer höheren Budgets für Spezialeinsätze, schaffte das JSOC modernste Aufklärungstechnologien an, mit deren Hilfe die Kommandos vom Himmel aus nach Pakistan hineinlauschen, Telefone überwachen und andere nachrichtendienstlich relevante Informationen sammeln konnten. Von Flugfeldern in Afghanistan aus starteten in regelmäßigen Abständen Beechcraft-Flugzeuge zu Flügen über die Afghanistan und Pakistan trennenden Gebirgskämme und verwandelten sich dabei in fliegende Mobilfunkmasten.
An Bord der Beechcrafts waren in einem als »Typhoon Box« bezeichneten Gerät Dutzende Telefonnummern gespeichert, von denen die Militärspione annahmen, dass sie von pakistanischen Militanten benutzt wurden. Das Gerät konnte feststellen, wenn eine dieser Nummern benutzt wurde, und den Aufenthaltsort des Anrufers bestimmen. Und zwar selbst dann, wenn ein Telefon
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