Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Zusammenarbeit hatte ihre Grenzen. Als Keller in Miranshah eintraf, riet ihm der Chef des Stützpunkts: »Geben Sie dem pakistanischen Militärgeheimdienst nur Informationen, die die Taliban auch bekommen sollen.«
Der pakistanische Militärgeheimdienst, eine andere Organisation als der ISI , hatte nach Ansicht der Amerikaner noch stärkere Verbindungen zu den Taliban und zum Haqqani-Netzwerk als Direktorat S. Einige Wochen bevor Keller in Miranshah angekommen war, hatten ISI und CIA die Madrasa Haqqanis durchsucht, aber nichts gefunden. CIA -Beamte erfuhren später aus eigenen Quellen, dass pakistanische Geheimdienstbeamte die Haqqani-Kämpfer vor der Razzia gewarnt hatten.
Keller war unglücklich über das pakistanische Doppelspiel, verstand aber sehr gut, warum Pakistan das Haqqani-Netzwerk nicht zerschlagen wollte. Die Vereinigten Staaten würden nicht ewig in Afghanistan bleiben, und wenn sich Islamabad die Haqqani-Kämpfer zu Feinden machte, konnte dies zwei mögliche Folgen haben, die beide schrecklich waren. Im besseren Fall würden pakistanische Soldaten in einem endlosen Krieg in den Bergen gegen eine Gruppe gebunden, die als Verbündete gegen den indischen Einfluss in Afghanistan sehr viel nützlicher gewesen wäre. Im schlimmeren Fall würde sich der Krieg nach Osten ausbreiten, und die Haqqani-Kämpfer würden in den dichter besiedelten Gebieten Pakistans Gewalttaten verüben.
Beide Aussichten machten dem pakistanischen Militär Angst, und deshalb begannen pakistanische Offiziere Mitte 2006 darüber zu diskutieren, in Nord-Waziristan ein ähnliches Friedensabkommen zu schließen, wie es in Süd-Waziristan bereits bestand. Keller und seine Kollegen von der CIA warnten den ISI , dass ein solches Abkommen katastrophale Konsequenzen haben könnte. Aber ihre Einwände stießen auf taube Ohren. Die pakistanische Regierung handelte im September 2006 einen Waffenstillstand für Nord-Waziristan aus. Er kam durch Geheimverhandlungen zustande, die von Generalleutnant Ali Jan Aurakzai, einer in Washington recht bekannten Figur, geführt wurden. Er war nach dem 11. September von Präsident Musharraf zum Militärkommandeur der Stammesgebiete ernannt worden und hatte lange geglaubt, dass es sinnlos sei, in Pakistan und Afghanistan nach al-Qaida zu suchen.
Aurakzai war als Offizier inzwischen in Pension gegangen, und Musharraf hatte ihn zum Gouverneur der North-West Frontier Province ernannt, wodurch er auch die Aufsicht über die Stammesgebiete bekam. Aurakzai war der Überzeugung, dass die Ausbreitung der Gewalt auf andere Gebiete Pakistans nur durch einen Friedensschluss mit den militanten Gruppen in den Stammesgebieten verhindert werden konnte, und er nutzte seinen Einfluss auf den Präsidenten, um ihn von den Vorteilen eines Friedenabkommens in Nord-Waziristan zu überzeugen.
Washington dagegen musste erst noch überzeugt werden. Also reiste Musharraf mit Aurakzai nach Washington, um den Waffenstillstand auch der Regierung Bush schmackhaft zu machen. Die beiden Pakistaner saßen im Oval Office und schilderten Bush die Vorteile des Friedensabkommens, und Aurakzai meinte, ähnliche Abkommen sollten auch in Teilen Afghanistans abgeschlossen werden, dann könnten sich die amerikanischen Truppen früher als erwartet aus dem Land zurückziehen.
Die Mitglieder der Regierung Bush waren gespalten. Einige hielten Aurakzai für einen rückgratlosen Beschwichtigungspolitiker – einen Neville Chamberlain der Stammesgebiete. Aber nur wenige sahen überhaupt noch eine Möglichkeit, das Friedensabkommen in Nord-Waziristan zu stoppen. Außerdem hatte Bush, dessen diplomatischer Stil sehr auf persönlichen Bemühungen beruhte, schon 2006 Sorgen, dass man zu viele Forderungen an Präsident Musharraf stellen könnte. Er bewunderte den pakistanischen Präsidenten immer noch dafür, dass er schon in den ersten Tagen nach dem 11. September beschlossen hatte, den Vereinigten Staaten bei der Jagd nach al-Qaida zu helfen. Die Regierungsbeamten im Weißen Haus arrangierten sogar regelmäßige Telefongespräche zwischen Bush und Musharraf, weil sie hofften, dass der pakistanische Präsident unter ihrem Druck eher die Militäroperationen in den Stammesgebieten aufrechterhalten würde, aber sie wurden enttäuscht: Bush stellte bei den Gesprächen nur selten konkrete Forderungen an Musharraf, sondern dankte ihm für seinen Beitrag im Krieg gegen den Terrorismus und versprach, dass die USA ihn auch weiterhin finanziell unterstützen
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