Killing God
hatte wie gesagt seine Probleme.
(take me to the dark)
Viele Dinge versteh ich einfach nicht, deshalb ist es irgendwie schwer, sie zu erklären, aber ich glaub, eines von Dads Problemen war, dass er nicht erwachsen werden wollte, denn Erwachsenwerden heißt (soweit ich weiß) der Realität ins Auge schauen, Verantwortung tragen, normal sein. Und Dad wollte das alles nicht. Das Einzige, was er wollte, war Spaßhaben, Musik hören, sich betrinken, Drogen nehmen, alles Beschissene vergessen und so tun, als ob die Welt okay wär … und ich glaub, eine Weile war das für Mum absolut in Ordnung. Sie war ja selbst ziemlich wild und punkig. Es hat ihr gefallen, weiter mit Dad die Puppen tanzen zu lassen, als ich auf die Welt kam. Aber mit der Zeit wurde ihr das Ganze, glaub ich, dann doch ein bisschen fad. Ich meine, sie hat nicht aufgehört, Spaß zu haben, Musik zu hören, sich zu betrinken oder Drogen zu nehmen, nur tat sie es eben nicht mehr andauernd.
Anders als Dad.
Dad hat nie aufgehört.
Seine Dämonen ließen ihn nicht.
Als ich acht oder neun war, hatte er’s schon nicht mehr im Griff. Es ging nicht mehr drum, dass er Drogen
wollte
, inzwischen
brauchte
er sie. Hauptsächlich Heroin. Ich meine, er hat alles genommen, alles ausprobiert, aber süchtig war er nach Heroin. Und irgendwann fing er an zu dealen. Dabei geriet er an die falschen Leute und das führte dazu, dass er ein paarmal erwischt wurde und für eine Weile in den Knast wanderte. Das ist ihm so in die Knochen gefahren, dass er endlich kapiert hat, was er tut, und irgendwann hat er es dann geschafft, seine Heroinsucht in den Griff zu kriegen. Aber anstatt clean zu bleiben, fing er an, wie ein Irrer zu saufen, und mit der Zeit wurde mein wunderbarer Dad zu einem wirklich abscheulichen aufgedunsenen Alkoholiker.
Und dann, eines Tages …
Mum und ich waren zusammen einkaufen gewesen. (Na ja, weniger zusammen einkaufen als zusammen durch die Stadt laufen und in Schaufenstern Sachen angucken, die wir kaufen würden, wenn wir Geld hätten.) Mum war schlecht drauf, was wohl mit Dad zu tun hatte, denn am Tag davor hatte ich sie miteinander herumschreien hören und nachts hatte Mum leise im Schlafzimmer geweint.
Jedenfalls muss es gegen vier gewesen sein, als wir aus der Stadt zurückkamen und so ein kalter Nieselregen anfing. Wir rannten den Weg von der Bushaltestelle nach Hause, und als wir dort ins vergleichsweise Warme traten, wehte uns der Mief von Hundekacke entgegen. Jesus und Mary waren damals ungefähr sieben oder acht Monate alt, und auch wenn sie so einigermaßen stubenrein waren, passierte ihnen ab und zu doch noch ein Missgeschick – vor allem wenn der, der auf sie aufpassen sollte, versäumte, sie nach draußen zu lassen … was in diesem Fall Dad war.
Mum und ich entdeckten die Hundekacke auf dem Flurteppich zur selben Zeit und wir sahen beide, wie Jesus schuldbewusst in die Küche schlich. Doch uns beiden war gleich klar, wer hier in Wirklichkeit schuld war.
»O Dad …«, seufzte ich.
»John!«, rief Mum ärgerlich.
Keine Antwort.
Aber wir wussten, dass Dad zu Hause war, denn wir hörten Stimmen aus dem Wohnzimmer – Dads Stimme und ein paar andere, die ich nicht kannte. Als ich Mum ansah, schloss sie entnervt die Augen und schüttelte langsam den Kopf. Da wusste ich, dass wir beide dasselbe dachten – nämlich dasssich Dad im Wohnzimmer mit ein paar Sauf- und Drogenkumpanen betrank, und weil er voll war, hatte er Jesus und Mary total vergessen.
Natürlich war es keine große Sache, dass Jesus auf den Teppichboden gekackt hatte, keine Katastrophe oder so. Aber Dad hatte es verbockt und Jesus unnötig Schuldgefühle aufgehalst … das war echt so mies von ihm – so gedankenlos, so egoistisch und dumm. Und noch idiotischer wurde das Ganze, weil Dad bei Mum ja sowieso unten durch war. Weshalb es mich auch nicht überraschte, als Mum die Tür aufriss und mit geballten Fäusten und zusammengekniffenen Augen ins Wohnzimmer marschierte, kurz vorm Explodieren …
Aber die Explosion kam nicht.
Stattdessen sah ich, als ich ihr ins Zimmer folgte, wie sie auf einmal stehen blieb und »Oh« sagte, auf so eine verblüffte Weise, wie wenn sie etwas sehen würde, was sie nicht erwartet hatte. Und als ich mich neben sie stellte und ins Zimmer guckte, war mir klar, wie sie sich fühlte.
Dad
war
betrunken und er
war
nicht allein, doch die Leute bei ihm waren weder Sauf- noch Drogenkumpanen, wie wir beide angenommen hatten. Es waren drei –
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