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Killing God

Killing God

Titel: Killing God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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deshalb wirfst du jetzt einen verzweifelten Blick auf die Uhr und hoffst (bitte!), dass es noch nicht halb acht ist …
    Und das ist es auch nicht.
    Es ist fünf nach sechs.
    Also
kann
Lee Harding eigentlich noch nicht hier sein … aber dann hören die Hunde eine Sekunde lang auf zu kläffen und du hörst einen gedämpften Schritt auf der Treppe – einen vorsichtigen Schritt, ein Knacken, Pause – und die Uhrzeit spielt plötzlich keine Rolle mehr.
    Du bist gelähmt.
    Starrst steif auf die Tür.
    Die Arme fest über Kreuz.
    Du umklammerst den Bademantel vor der Brust.
    Und …
o Gott
!
    Die Tür geht auf.
    Die Tür geht auf.
Und die Hunde sind still und weichen zurück.
    Und du hast aufgehört zu atmen.
    Das ist nicht wahr, es kann nicht …
    Aber das ist es.
    Es ist wahr.
    Die Tür ist offen.
    Und ein Mann steht da und sieht dich an.
    »Hallo, Dawn«, sagt er.

nine million rainy days (2)
    Ich seh ihn da in der Tür stehen, seine heruntergekommene Gestalt umgeben von staubigem Licht … Ich seh ihn. Seine erschöpften Augen schauen mich an. Sein Gesicht unrasiert, blass und eingefallen. Die früher blonden Haare sind jetzt schäbig braun und kleben ihm regendunkel am Kopf.
    Ich seh ihn.
    Meinen Dad.
    Ich kann nicht sprechen.
    »Darf ich reinkommen?«, fragt er nervös.
    Ich kann nicht sprechen.
    »Dawn?«, fragt er.
    »Dad …?«, hauch ich.
    Er lächelt ängstlich. »Tut mir leid … ich wollte dich nicht erschrecken. Ich …« Er schaut über die Schulter. »Die Haustür war offen … da dachte ich …«
    »Mel …«, murmel ich vor mich hin.
    »Wie bitte?«
    »Nichts … eine Freundin von mir war hier, das ist alles. Siehat wohl die Tür offen gelassen, als sie gegangen ist …« Ich starr ihn an. »Gott, ich glaub’s nicht, dass du es bist …«
    Er zuckt mit den Schultern. »Ich bin’s …«
    »Was machst du hier?«
    »Wir müssen reden, Dawn«, sagt er. »Und wir haben nicht viel Zeit … meinst du, ich kann reinkommen?« Er senkt den Blick. »Ich versteh, wenn du nicht willst, dass ich … ich mein, ich versteh das. Ich kann auch hier an der Tür bleiben, wenn du willst … oder wenn ich gehen soll –«
    »Nein, ist schon okay«, sag ich leise.
    Er sieht mich an. »Bist du sicher?«
    Ich nicke.
    Als er vorsichtig ins Zimmer tritt, tapsen Jesus und Mary (genauso vorsichtig) auf ihn zu, mit gesenktem Kopf und argwöhnisch wedelndem Schwanz. Es ist ein Schwanzwedeln, das fragt:
Bist du wirklich der, für den wir dich halten?
    »Hallo, Hunde«, sagt Dad.
    Ihre Schwänze wedeln schneller.
    Dad sieht mich an. »Ist es okay, wenn ich mich hier drüben hinsetze?«, fragt er und deutet in Richtung Schreibtisch.
    »Ja.«
    Ich weiß nicht genau, wie ich mich fühle (oder was ich empfinde), als ich ihn mit den Augen auf dem Weg zum Schreibtisch verfolge und er sich hinsetzt. Leere wahrscheinlich … ich fühl mich nur leer. Ausgelöscht. Zu schockiert, um irgendwas zu empfinden. Vielleicht ist es ja am besten so, denn es gäb zu viel, was ich in diesem Moment empfinden könnte – Angst, Wut, Hass, Abscheu …Verlegenheit, Scham, Verzweiflung, Unglauben …

    (and all my time in hell
    is spent with you)

    Es ist alles zu viel für mich.
    Jesus und Mary sind inzwischen zurück aufs Bett gesprungen und Dad setzt sich gerade an meinen Schreibtisch. Er sieht ganz anders aus, als ich ihn in Erinnerung habe. Alt, erschöpft, niedergeschlagen. Er sieht trist aus – triste Augen, tristes Haar, triste Klamotten aus der tristen Altmännerkleider-Abteilung von einem tristen Wohltätigkeitsladen. Außerdem sieht er ungewohnt nüchtern aus.
    Er lächelt mich zaghaft an. »Hörst du noch immer
The Jesus and Mary Chain

    Ich schau hinab auf den iPod neben mir auf dem Bett. Er spielt noch, man hört blechern klingende Musik aus den Ohrstöpseln.

    (i have ached for you
    i have nothing left to give
    for you to take)

    Ich will nicht über Musik reden.
    »Wo bist du die ganze Zeit gewesen, Dad?«, frag ich und meine Stimme klingt viel kälter, als ich eigentlich will.
    Er sieht mich traurig an. »Tut mir leid, Schatz … ich wollte nicht, dass es so kommt. Ich wollte nicht einfach so aus dem Nichts auftauchen –«
    »Wo bist du gewesen?«, wiederhol ich.
    Er schüttelt den Kopf. »Eigentlich nirgends richtig … Ichhabe eine kleine Wohnung am andern Ende der Stadt, auf der andern Flussseite. Kennst du die St.-Thomas-Siedlung?«
    »Die beiden Hochhausblöcke?«
    Er nickt. »Ist ganz okay … bisschen laut manchmal, aber weißt

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