Killing time
entsetzlichem Erlebnis mit Scotty Joe Walters hatte sie Monate in einer Therapie verbracht. Dank der Liebe und Unterstützung ihrer Familie und ihres Verlobten, hatte sie sich schrittweise wieder erholt. Obwohl sie beinahe gleich nach der Entführung wieder zu arbeiten begonnen hatte, brauchte sie über ein Jahr, bis sie wieder ein Leben ohne beständige Angst führen und ihre Hochzeit planen und vorbereiten konnte. Robyn und Raymond hatten ihren großen Tag mit über dreihundert Gästen an einem warmen, sonnigen Tag im Juni gefeiert. Bernie war ihre Brautführerin gewesen, da Jim und sie bereits am Neujahrstag zuvor geheiratet hatten. Sie wählten das Datum, weil es für Neuanfang stand. Bernies und Jims Hochzeit war eher schlicht gewesen. Die Feier hatte im Hause ihrer Eltern stattgefunden, im Kreise der Familie und der engsten Freunde. So wollten sie es beide.
Brenda und R. B. waren als Großeltern ganz in ihrem Element, erst bei Kevin, dann bei den anderen dreien. Beide waren ganz aus dem Häuschen gewesen, als Robyn nur sechs Monate nach ihrer Heirat im Juni verkündete, sie wäre schwanger. Rea Long war genauso schön wie ihre Mutter und ihre Großmutter, aber Robyn gefiel vor allem, dass Rea die wunderschönen Augen ihres Vaters geerbt hatte. Gerade mal sieben Jahre alt, schaffte es die Kleine mit ihrem Charme, dass ihr sämtliche Männer in der Familie aus der kleinen Hand fraßen.
Rea kam zu ihrer Großmutter gerannt und verkündete mit lauter, aber damenhafter Stimme: »Großmutter, Bobby hat Brenda Anne angerempelt, und ihr Punsch ist auf meine neuen Wildlederschuhe geschwappt. Meine kleinen Cousins sind echte Rüpel«, schloss sie mit einem theatralischen Seufzer.
Brenda hatte ihre liebe Mühe, ernst zu bleiben. »Da du schon sieben bist und sie erst fünf sind, musst du ihnen eben mit gutem Beispiel vorangehen.«
Bernie grinste Robyn an und zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, Schwesterherz. Falls Reas Schuhe sich nicht mehr reinigen lassen …«
»Keine Sorge«, erwiderte Robyn. »Ich bin sicher, dass der Punsch wieder abgeht.« Dann flüsterte sie, so dass nur Bernie sie hören konnte: »Was Reas Bemerkung angeht, dass deine Zwillinge Rüpel sind – das kommt übrigens nicht von Raymond und mir. Sie wiederholt bloß, was sie Helen hat sagen hören. Ach, diese Schwiegermutter!« Robyn verdrehte die Augen und seufzte ebenso theatralisch wie ihre Tochter nur wenige Augenblicke zuvor.
Der fünfjährige James Robert – Bobby Norton – jagte seine Zwillingsschwester Brenda Anne um den Tisch mit den Geschenken, und gerade als sich sein Fuß im langen Tischtuch verfing, kam sein großer Bruder Kevin, der bereits an der Universität von Texas studierte, und hob ihn in seine Arme. Jim schnappte sich derweil seine Tochter von hinten und riss sie in die Höhe. Beide Zwillinge kicherten und wanden sich.
Bernie lächelte ihren Ehemann an. Sie war rundum glücklich. Ihr Leben zusammen war gewiss nicht vollkommen, aber sehr schön. Verdammt schön! Als sie schon die Hoffnung aufgegeben hatte, ein Kind mit Jim zu bekommen, fanden sie heraus, dass sie mit Zwillingen schwanger war. Nach sechs Monaten Bettruhe und jeder Menge Gebete waren ihre beiden Babys gesund zur Welt gekommen. Und seither verging kein Tag, an dem sie dem Herrn nicht für die vielen Segnungen in ihrem Leben dankte. Eine davon war Kevin. Auch wenn sie ihn nicht selbst geboren hatte, betrachtete sie ihn doch als ihren Sohn. Er war das Kind ihres Herzens, das inzwischen zu einem jungen Mann herangewachsen war, der seinem Vater sehr ähnelte.
Sechs Monate nach Mary Lees Operation hatten Jim und sie gemeinsames Sorgerecht vereinbart, damit sie beide Kevin gleich häufig sehen konnten. Und nicht einmal ein Jahr später hatte Allen Clark das Stellenangebot seines Lebens erhalten – in Singapur. Nachdem er und Mary Lee die Staaten verlassen hatten, war Kevin ganz zu Jim und Bernie gezogen, verbrachte allerdings jeden Sommer einen Monat bei seiner Mutter und seinem Stiefvater in Übersee.
Jim kam mit Brenda Anne auf der Hüfte zu Bernie. Kevin folgte ihm mit seinem kleinen Bruder Bobby im Schlepptau.
»Sheriff, ich fürchte, du musst diese beiden Tunichtgute in den Knast stecken«, sagte Kevin im Scherz.
»Was ist ein Knast?«, fragte Bobby und blickte zu seinem großen Bruder auf.
»Das ist was Schlimmes«, sagte Brenda Anne und sah Jim lächelnd an. »Oder, Daddy?«
»Keine Sorge, Zuckerschnute«, erwiderte Jim. »Niemand wird
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