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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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wurde wärmer. Der Steg schaukelte sacht hin und her, und die Wellen glucksten.
    Ich überlegte kurz, was Kommissar Lindström Edmund wohl gefragt hatte und was Edmund geantwortet hatte, aber ich hatte keine Lust, darüber eine Diskussion anzufangen.
    »Wollen wir zur Möwenscheißinsel?«, fragte ich stattdessen. »Das wäre doch jetzt vielleicht gar nicht so schlecht, oder?«
    Edmund setzte sich auf und schob die Füße ins Wasser. »Ja«, sagte er. »Lass uns das machen. Die kommen doch bestimmt bald, um uns abzuholen, oder was meinst du?«
    »Ganz bestimmt«, erklärte ich. »Das wird nicht mehr lange dauern.«
    Edmund seufzte und blickte mit halb geschlossenen Augen über den See.
    »Eine letzte Bootstour«, sagte er. »Das ist richtig traurig. Dabei war es so ein verdammt schöner Spitzensommer.«
    »Ja«, stimmte ich zu. »Das war es.«
     
    ***
     
    Als wir zurückruderten, saßen unsere Väter schon da und warteten auf uns. Sie waren bereits seit einer Stunde da, und unsere Sachen standen gepackt und reisefertig auf dem Rasen.
    »Ihr kommt mit in die Stadt«, sagte mein Vater. »Jetzt reicht es hier.«
    Albin Wester sagte gar nichts. Er sah aus, als hätte er alle Gefangenen verkauft und das Geld verloren. Edmund und ich zogen uns um, und zehn Minuten später verließen wir Genezareth. Diesmal hatte mein Vater einen alten Citroen von den Bergmans geliehen, die zwei Häuser weiter in der Idrottsgatan wohnen. Der war rostig und sah ziemlich mitgenommen aus, und obwohl es nur fünfundzwanzig Kilometer bis zur Stadt waren, blieb er zweimal liegen, weil der Kühler kochte.
    »Wir hätten ja mit dem Rad fahren können«, meinte Edmund.
    »Die Räder holen wir später«, erklärte Edmunds Vater irritiert. »Euch ist doch wohl klar, dass es im Augenblick Wichtigeres gibt?«
    »Französische Autos sind nun einmal nicht für die schwedische Sommerhitze gebaut«, sagte mein Vater und verbrannte sich an der Kühlerhaube.
    Die Wochen, nachdem Henry in Untersuchungshaft genommen worden war, verliefen sehr sonderbar. Einerseits war da das Gefühl, als würde alles Mögliche passieren und die ganze Welt auf dem Kopf stehen, und gleichzeitig verlief die Zeit ziemlich eintönig.
    Fast jeden Tag fuhren mein Vater und ich mit dem Killer nach Örebro. Zuerst besuchten wir Henry im Untersuchungsgefängnis, dann meine Mutter im Krankenhaus. Allein die Tatsache, dass mein Vater den Killer fuhr statt Henry, war vielleicht das sicherste Zeichen dafür, wie sehr unser ganzes Dasein aus dem Gleichgewicht geraten war. Nun war mein Vater sowieso ein Mensch, der an viele Orte einfach nicht passte, aber hinter das Lenkrad des schwarzen Volkswagens, da passte er ganz und gar nicht. Normalerweise war er ein elender Fahrer, im Killer war er eine Katastrophe. Ich weiß, dass ich mehr als einmal dachte, dass es gleich krachen würde und dass es jetzt nur noch fehlte, dass wir auch noch in einen Autounfall verwickelt werden würden. Zu allem anderen.
    Aber wir kamen jeden Tag mit heiler Haut davon. Vormittags nach Örebro und gegen Abend wieder zurück. Wenn wir Henry in der hellgelben Zelle im Keller des Polizeihauses besuchten, hatten wir alle nicht viel zu sagen, weder ich noch mein Vater oder mein Bruder. Es gab dort ein an der Wand befestigtes Bett, einen kleinen Tisch, zwei Stühle und eine Lampe. Meistens lag Henry auf dem Bett, mein Vater und ich saßen auf den Stühlen. Jeden Tag brachte mein Vater den Kurren und ein Päckchen Lucky Strike mit, und jeden Tag hatte Henry am rechten großen Zeh ein Loch im Strumpf. Mit der Zeit überlegte ich, ob er eigentlich nie die Strümpfe wechselte, aber ich wollte nicht danach fragen.
    »Es ist eine Schande, dass sie ehrliche Leute so behandeln«, sagte mein Vater immer.
    Oder: »Morgen um diese Zeit bist du draußen, du wirst schon sehen.«
    Henry gab selten irgendwelche Kommentare von sich. Meistens fing er gleich an, im Kurren zu lesen, sobald wir uns niedergelassen hatten, wobei er hastig rauchte, als hätte er schon mehrere Tage lang keine Zigaretten gehabt. Nach dem Besuch im Gefängnis gingen wir ins Café »Tre Rosor« oder »Nya Pomona« in der Rudbecksgatan. Mein Vater trank Kaffee und aß eine Zimtschnecke, ich bestellte Limonade und Schmalzgebäck oder Limonade und einen Amerikaner.
    »Ich habe mir noch etwas Extraurlaub genommen«, erklärte mein Vater mir jeden Tag wieder mit der Schnecke im Mund. »Ich habe mir gedacht, das ist besser so, bis sich alles geklärt hat.«
    »Das war ein

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