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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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aber zum Schluss entschied Lindström, dass ich gehen durfte. Aber ich habe Reiseverbot.«
    »Reiseverbot? Was ist das denn?«
    Henry zuckte mit den Schultern. »Ich darf nirgends sonst hin, muss mich hier in der Gegend aufhalten. nun ja, jetzt kann ich auch ebenso gut mit denen über Ewa reden.«
    Ich dachte nach.
    »Wenn sie es nicht schon von anderer Seite wissen«, sagte ich.
    »Genau«, bestätigte Henry und spritzte sich eine neue Hand voll Wasser ins Gesicht. »Bevor der eine oder andere Stinkstiefel versucht, sich ein paar Groschen zu verdienen. Ich möchte wissen, ob das Arschloch auch bei Ewa war.«
    »Sie hat nichts davon gesagt«, erklärte ich.
    »Nein«, sagte Henry. »Dann lass uns hoffen, dass er noch nicht so weit gekommen ist.«
    Er nahm die Ruderblätter wieder auf. Ein paar Möwen kamen angeflogen und schrien uns etwas zu. Henry antwortete ihnen mit einem Fluch, dann sah er mich eine ganze Weile ernst an, bevor er anfing zu rudern.
    »Mir gefällt es nicht, über das hier zu reden«, sagte er. »Und ich weiß, dass es dir auch nicht gefällt. Aber wir waren nun mal dazu gezwungen. Was meinst du, wissen wir jetzt, was wir voneinander zu halten haben?«
    »Ich denke schon«, antwortete ich.
     
    ***
     
    Bevor Henry wegfuhr, gab er Edmund und mir noch siebzig Kronen zum Einkaufen. Die Essensvorräte waren zu diesem Zeitpunkt bis auf den letzten Käserest aufgebraucht, es war also eine gründliche Vorratsauffrischung vonnöten. Außerdem war es ja nicht sicher, dass es meinem Bruder erlaubt werden würde, vom Polizeirevier wieder zurück nach Genezareth zu fahren - wenn sie schon am Tag zuvor gezögert hatten, dann würde er sicher jetzt nicht viel besser dastehen, wenn er zugab, mit der Verlobten des Mordopfers Umgang gehabt zu haben.
    Das war die reinste Perry-Mason-Geschichte, darin waren Edmund und ich uns vollkommen einig, nachdem ich ihm von dem Gespräch zwischen meinem Bruder und mir berichtet hatte.
    Es fehlte nur einer, Perry natürlich.
     
    ***
     
    An dem Tag nahmen wir die Räder. Wir kauften uns jeder eine Wurst bei Laxmans, und auf dem Rückweg erzählte Edmund mir mehr über seinen richtigen Vater.
    Und wie der immer geweint hatte.
    »Geweint?«, fragte ich nach. »Wieso geweint?«
    »Wenn er geschlagen hat«, erklärte Edmund. »Oder hinterher. Wenn er wieder klar war. Jedenfalls manchmal.«
    »Warum hat er denn geweint?«
    »Weiß ich nicht«, antwortete Edmund. »Das habe ich nie kapiert. Er konnte da auf seinem Bett sitzen, heulen und erklären, dass es ihm mehr wehtäte als mir und dass ich das verstehen würde, wenn ich älter wäre.«
    »Was solltest du verstehen?«
    Edmund zuckte mit den Schultern, dass er fast ins Schleudern kam und aufpassen musste, nicht über den Lenker zu fliegen. Er bekam das Fahrrad wieder unter Kontrolle und fluchte.
    »Verflucht, ich weiß es nicht. Warum er gezwungen war, auf mich loszugehen, nehme ich an. Als ob es einen Grund dafür gäbe, dass er das getan hat, und dass ich eben noch zu klein war, um das zu verstehen, dass er mich irgendwie gegen seinen Willen schlug. Als würde ihn irgendwas dazu zwingen, und als könnte er gar nichts dafür.«
    Wir strampelten schweigend eine Weile nebeneinander her.
    »Das klingt aber verdammt merkwürdig«, sagte ich. »Erst schlagen und dann heulen, weil man geprügelt hat.«
    »Er war krank«, sagte Edmund. »Anders ist das nicht zu erklären. Krank im Kopf mit Würmern, die in seinem Kopf herumkrochen und ihm das Gehirn aufgefressen haben, oder so ähnlich.«
    »Oh Scheiße«, sagte ich. »Das klingt ja vollkommen bescheuert.«
    Obwohl ganz tief in mir - ganz hinten in einer noch nicht entwickelten Windung meines vierzehnjährigen Gehirns - eine Ahnung aufstieg, dass es solche Menschen gab.
    Die über das weinten, was sie machten, und über die, denen sie es antaten.
    Mir gefiel das nicht. Das war ein Wissen, das ganz und gar dem widersprach, von dem Henry geredet hatte.
    Wenn du die Wahrheit sagen musst, dann musst du es eben tun.
    Nein, ich hatte keine Lust, an solche Leute wie Edmunds Vater zu denken. Wie gesagt, das hatte ich schon vor langer Zeit beschlossen. Krebs-Treblinka-Liebe-Bumsen-Tod.
    No further questions.
    Mein Bruder Henry kam am Donnerstag, dem 17. Juli, wegen Mordverdachts in Sachen Bertil »Berra« Albertsson in Untersuchungshaft, und am Freitag stand es schon in den Zeitungen. Es war genau der Freitag, an dem Edmund und ich einen erneuten Besuch von Kriminalkommissar Verner Lindström

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