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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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ganz schwül im Kopf bei diesem Gedanken, und auch weil sie so nah neben mir ging.
    Und weil wir schon eine ganze Weile gegangen waren, bevor sie etwas sagte. Fast bis zu Snukkes aus Eternit zusammengehauenem alten Haus.
    »Ich traue mich nicht«, sagte sie dort.
    »Was traust du dich nicht?«, fragte ich sie.
    »Ich traue mich nicht, Henry im Knast zu besuchen.«
    »Warum denn nicht«, fragte ich. »Das ist nicht schlimm, ich bin jeden Tag da.«
    »Das ist es nicht. Ich überlege nur, was die Polizei dann denken würde.«
    »Ach so«, sagte ich. »Ja, ich weiß auch nicht so recht, was die eigentlich denkt.«
    »Ich auch nicht«, nickte Ewa. »Und ich will nicht, dass die das falsch verstehen.«
    Ich überlegte, was sie wohl daran falsch verstehen könnten und ob sie das nicht schon längst taten. War nicht alles, was nur falsch zu verstehen war, bereits falsch verstanden worden? Aber ich fragte sie nicht, was sie damit meinte.
    »Magst du ihm diesen Brief geben?«, fragte sie mich, als wir fast Karlessons Kiosk erreicht hatten.
    Ich nahm einen zugeklebten Briefumschlag ohne Namen oder Adresse darauf entgegen. Das einzig Ungewöhnliche an ihm war, dass er hellblau war.
    Danach sagten wir nicht mehr viel, aber bevor wir uns trennten, nahm ich all meinen Mut zusammen. Einen riesengroßen Mut, ich weiß gar nicht, woher ich den nahm.
    Ich drehte mich zu ihr um. Stand Ewa Kaludis direkt gegenüber, mit nur wenigen Zentimetern Abstand zwischen uns. Ich streckte beide Arme aus und umfasste sie an den Oberarmen.
    »Ewa«, sagte ich. »Ich scheiße drauf, dass ich erst vierzehn bin. Du bist die schönste Frau der Welt, und ich liebe dich.«
    Sie schnappte nach Luft.
    »Das musste ich einfach sagen«, erklärte ich. »Das war alles, vielen Dank.«
    Dann küsste ich sie und ging.
     
    ***
     
    Den ganzen restlichen Sommer träumte ich von Ewa Kaludis. Es waren die Bilder, wie sie mit Henry, meinem Bruder, schlief, die wieder auftauchten, und es kam vor, dass ich statt Henry dort im Bett lag. Oft war ich an zwei Stellen gleichzeitig: sowohl draußen vorm Fenster als auch unter Ewa. Unter ihr und in ihr. Wenn ich morgens aufwachte, konnte ich mich manchmal nicht mehr dran erinnern, ob ich von ihr geträumt hatte oder nicht, aber wenn ich darüber Klarheit haben wollte, brauchte ich nur aufs Laken zu gucken, ob es auf ihm neue Flecken gab. Und normalerweise gab es die.
    Natürlich war es auch nicht so leicht, sie tagsüber aus meinen Gedanken zu verbannen, vor allem fantasierte ich von ihr, wenn ich mich im Krankenhaus auf der Toilette befand. Das war eine gute Alternative zu »Käsekästchen«, und manchmal begann ich bereits an sie zu denken, wenn wir im Killer auf dem Weg nach Örebro waren.
    Jetzt werde ich gleich Henry, meinen Bruder, im Gefängnis besuchen. Dann fahre ich zu meiner sterbenden Mutter ins
    Krankenhaus und werde an Ewa Kaludis denken und wichsen.
    Wenn ich so dachte, schämte ich mich.
    ***
    Am 27. August war der erste Schultag in Kumlas Kommunaler Realschule, und am gleichen Tag wurde die Untersuchungshaft meines Bruders verlängert. Ich begann in einer Klasse, die l b hieß, bekam einen Klassenlehrer, der Gunvald hieß und lispelte, zweiunddreißig neue Mitschüler und zwölf neue Lehrer. Wurde von einer Reihe bis dahin mir unbekannter Wissenschaften überrumpelt wie Physik, Chemie, Deutsch und Morgenrunde und bekam überhaupt insgesamt eine etwas neue Perspektive aufs Leben.
    Als ich bereits ungefähr seit einem Monat Realschüler war, stand plötzlich Henry eines Freitags vor dem Schulzaun und wartete auf mich, als wir Unterrichtsschluss hatten. Ich kam mit einer kleinen Gruppe Klassenkameraden heraus, die ich bereits ein wenig kannte, und es wurde sofort ganz still um mich herum. Alle wussten natürlich, wer Henry war, und jetzt wurden sie abrupt daran erinnert, dass ich der Bruder des Mörders war.
    Ich ging zu ihm. Er trug eine Sonnenbrille, hatte sein weißes Perlonhemd aufgeknöpft und eine Lucky Strike im Mundwinkel hängen. Er war Ricky Nelson wie aus dem Gesicht geschnitten. Oder besser Rick.
    »Hallo, Henry«, sagte ich.
    »Hallo, Brüderchen«, sagte Henry und zeigte sein schiefes Lächeln. »Wie geht es dir?«
    »Saustark«, sagte ich. »Haben sie dich rausgelassen?«
    »Jepp«, sagte Henry. »Jetzt ist es vorbei.«
    Er legte mir den Arm um die Schulter. Wir gingen quer über die Straße und kletterten in den Killer. Meine neuen Klassenkameraden standen immer noch am Schulzaun und sahen aus,

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