Kim Novak badete nie im See von Genezareth
beschützen. Ich verstehe gar nicht, was Sie damit meinen.«
Lindström verzog leicht spöttisch den Mund. »Du verstehst sehr gut, was ich meine«, sagte er. »Du hast die ganze Zeit gewusst, dass Henry ein Verhältnis mit Ewa Kaludis hatte, und du glaubst, du könntest ihm helfen, indem du das verschweigst.«
»Das stimmt doch gar nicht«, widersprach ich.
Lindström kümmerte sich nicht um meinen Einwand. Er war auf Touren gekommen, jetzt wurde es langsam zu einem richtigen Kreuzverhör. »Du glaubst, es würde Henry etwas nützen, wenn du nicht erzählst, was du weißt«, erklärte er. »Aber das ist vollkommen falsch, da bist du auf dem falschen Dampfer, genau wie dein Kumpel. Henry hat alles erzählt, es würde ihm nur schaden, wenn sein kleiner Bruder weiter versucht, zu bluffen.«
»Ich habe doch gesagt, dass sie sich kennen.«
Er öffnete das Röhrchen und warf sich zwei Pastillen in den Mund. »Wie oft war sie hier?«
Ich zuckte wieder mit den Achseln. »Ein paar Mal. Dreimal vielleicht.«
»Und zu welcher Tageszeit?«
»Weiß ich nicht mehr. Ich glaube, abends.«
»Auch nachts?«
»Kann sein.«
»Jetzt im Juli?«
Ich dachte nach. »Ja, ist schon möglich.«
Er lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster. Plötzlich wirkte er etwas müde. Mir kam der Gedanke, dass er vielleicht in letzter Zeit nicht besonders viel geschlafen hatte. Um ihn herum war ja so einiges los. Er kaute eine Weile auf den Pastillen herum, bevor er weitersprach.
»Ewa Kaludis hat also Anfang Juli zwei oder mehrere Nächte hier im Haus zusammen mit deinem Bruder Henry verbracht. Sind wir uns darin einig?«
Ich nickte unsicher.
»Du wusstest, dass Ewa Kaludis mit Bertil Albertsson verlobt war?«
»Ja.«
»Fandest du es dann nicht etwas merkwürdig, dass sie die Nächte hier bei deinem Bruder verbracht hat, statt bei ihrem
Verlobten zu sein?«
»Ich habe nicht so viel darüber nachgedacht.«
Er begutachtete die Nägel an der anderen Hand.
»Der neunte Juli«, sagte er dann. »Erzähl mir vom neunten Juli.«
»Was war das für ein Tag?«, fragte ich.
»Dienstag letzter Woche. Der Tag vor der Nacht, in der Bertil Albertsson ermordet wurde.«
Ich dachte ziemlich lange nach.
»Ich weiß nicht mehr so genau«, sagte ich dann, »ich glaube, an dem Abend war nichts Besonderes los.«
»Als wir das letzte Mal miteinander geredet haben, wusstest du es noch ganz genau.«
»Wirklich?«
Seine Faust schlug wie ein Pistolenschuss auf die Tischplatte. Ich zuckte zusammen und wäre fast rückwärts vom Stuhl gefallen. Konnte in letzter Sekunde noch die Tischplatte packen und das Gleichgewicht wiederherstellen.
»Verflucht, jetzt ist aber Schluss mit dem Gelaber«, dröhnte Lindström, jetzt mit Sandpapier Nr. 5 in der Stimme. »Wir wissen, dass Ewa Kaludis an diesem Abend bei Henry zu Besuch war, und wir wissen auch, dass du das weißt. Wenn du die Dinge nur ein kleines bisschen für deinen Bruder erleichtern willst, dann erzähle endlich, was passiert ist. Alles, was du weißt. Nur so kannst du seine Lage erleichtern.«
Ich wartete ziemlich lange, bis ich antwortete. Zählte rückwärts von zehn bis null und vermied es, ihn anzugucken.
»Sie irren sich«, sagte ich dann. »Ich habe keine Ahnung, ob Ewa Kaludis an dem Abend hier war oder nicht. Wir sind früh schlafen gegangen, Edmund und ich, und ich war in der Nacht kein einziges Mal wach.«
Kommissar Lindström stopfte das Bronzolröhrchen wieder in die Innentasche. Er knöpfte alle drei Knöpfe seiner Jacke zu und beugte sich auf den Ellbogen über den Tisch vor. Ich begegnete seinem Blick. Es vergingen fünf Sekunden. In denen ich zehn Jahre älter wurde.
»Verschwinde und hole deinen Kumpel«, sagte Lindström. Als ich schon zwei Schritte auf dem Gras gemacht hatte, änderte er seine Meinung. »Halt!«, rief er. »Ich werde ihn selbst holen.«
»Wie der Herr Kommissar möchte«, sagte ich und steuerte den Steg am See an.
***
Edmund sah ziemlich niedergeschlagen aus, als er eine halbe Stunde später herauskam und sich neben mir auf dem Steg niederließ.
»Ist er weggefahren?«, fragte ich.
Edmund nickte.
»So eine Scheiße«, erklärte er. »Die wollen deinen Bruder dafür drankriegen.«
»Er wird schon klarkommen«, entgegnete ich.
»Meinst du?«, fragte Edmund.
»Henry kommt immer klar.«
»Ich hoffe, du hast Recht«, sagte Edmund.
Wir lagen eine Weile still da. Es war ein bewölkter Morgen gewesen, jetzt kam die Sonne langsam durch, und es
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