Kim Schneyder
mein Foto den ersten Preis machen. Mit Riesenabstand.
Gerhard Sommer, so heißt mein Gerhard, und jetzt ist mir plötzlich klar, warum ich so viele fremde Telefonnummern im Speicher dieses Handys gefunden habe: Das ist gar nicht meines, das ist Gerhards, und es ist mir nicht aufgefallen, weil ich es erst seit zwei Wochen habe – seit Gerhard es mir geschenkt hat. Geschenkt, weil es bei seinem Telefonanbieter diese Wahnsinnsaktion gab: Zwei Tophandys zum Preis von einem. Zwei haargenau gleiche Tophandys, wohlgemerkt!
Und heute Morgen, in der üblichen Hektik nach dem fünften Mal Wecker ausstellen, müssen wir die Dinger wohl irgendwie vertauscht haben!
Plötzlich überrollen mich die Erkenntnisse wie eine Lawine: Diese Nachrichten, die haben Gerhard gegolten, er ist der Wahnsinn, er ist der Hammer, ihn hat sie sogar zweimal täglich gebraucht, und für ihn hat sie etwas getan, was bisher noch nie ein Mann von ihr verlangte. Und sie hat es noch nicht einmal bereut!
Und zu allem Überdruss schießt es mir auf einmal wie ein greller Blitz ins Bewusstsein, wo mir der Name Nora schon einmal untergekommen ist: Nora von Kessler, so heißt doch die Tochter von Gerhards Chef, Dr. Friedrich von Kessler, seines Zeichens Seniorpartner der Anwaltskanzlei Kessler, Lohmann & Partner. Gerhard hat sie vor ein paar Wochen ganz beiläufig erwähnt, er hat erzählt, dass sie ihr Referendariat in der Firma absolviere, und dass sie wie eine Klette an ihm hinge und ihn ständig mit ihren Fragen löchere. Und wie sehr es ihm auf die Nerven gehe, dass ausgerechnet er sie einweisen müsse. Dieses Märchen hat er mir aufgetischt, aber davon, dass er ihr Hammer war, und von irgendwelchen Perversionen, die er ihr beigebracht hat, hat er natürlich nichts erwähnt.
Ich fühle, wie sich mein Magen zusammenkrampft. Dieser Schuft, dieser verlogene Mistkerl!
»Sind Sie noch dran?«, fragt Nora von Kessler dann zu allem Überdruss noch, und auf einmal bin ich derart überfordert von der Situation, dass ich einfach auflege.
Ich bin unfähig, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, und wie durch einen dichten Nebel registriere ich, dass Dellbert längst zurück ist und wieder neben mir auf der Bank hockt, und wie beinahe zeitgleich seine Mutter heranstürmt.
Nanu, das ging ja fix. Die muss ihren Piloten tatsächlich zu einem Sturzflug gezwungen haben, um ihr Söhnchen vor meiner Mastkur zu retten. Sind die vielleicht auf einer Wiese in der Nähe notgelandet?
»Dellbert!«, kreischt sie gleich los, »Das darf doch wohl nicht wahr sein, wie siehst du denn aus! Was hast du denn alles gegessen?«
Und als sie sich leichtsinnigerweise vor Dellbert hinkniet, sehe ich voller Entsetzen, wie er rot anläuft und plötzlich seinen reichhaltigen Nachmittagsspeiseplan wortlos auf ihrem Minirock ausbreitet.
»Jetzt sieh nur, was du angerichtet hast!«, schreit seine Mutter mich völlig hysterisch an, dann packt sie Dellbert und droht mit einem mächtig bösen Seitenblick auf mich: »Heidi wird nie wieder auf dich aufpassen, das schwöre ich dir!« Doch was noch vor ein paar Minuten Worte der Befreiung für mich gewesen wären, ist mir jetzt nur noch egal.
»Tschüs, Dellbert«, höre ich mich sagen, und Dellbert sagt: »Uarrgh!«, weil er vorher noch nicht alles zutage gefördert hat, und winkt mir noch einmal mit einem sehnsüchtigen Blick, während seine Mutter ihn davonzerrt. Dann sind sie weg.
Mich hält jetzt auch nichts mehr an diesem Platz. Wie in Trance rapple ich mich hoch und trotte zu meinem Wagen.
Erst als ich hinter dem Steuer Platz genommen habe, kann ich meine Umgebung wieder einigermaßen klar wahrnehmen, und die Frage, wohin ich jetzt überhaupt fahren soll, zwingt mich wieder zu konkreten Gedanken.
Was nun?
Ich bin enttäuscht und verletzt wie noch nie zuvor in meinem Leben, aber zugleich bin ich auch wütend. Gerhard hat mich auf niederträchtigste Weise aufs Glatteis geführt, mich hintergangen und belogen, und ich komme mir in diesem Moment vor wie die dümmste Gans der Welt. Das ist so was von unfair. Das kann, das will ich einfach nicht auf mir sitzen lassen, ich muss auf jeden Fall irgendetwas unternehmen. Ich werde ihn nicht einfach so davonkommen zu lassen, und auch diese Nora von Kessler soll nicht ungeschoren bleiben. Ich kenne sie zwar nicht persönlich, aber garantiert ist sie so ein Vorzeigekarrierepüppchen wie diese Anwältinnen aus den amerikanischen Fernsehserien, in einem hautengen Designer-Kostüm mit
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