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Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Junge ist sexuell missbraucht und ermordet worden. Das sind unterschiedliche Verbrechen.
    Unterschiedliche Abartigkeiten.«
    »Wir wissen nicht, ob der Junge sexuell missbraucht worden ist.«
    »Sehen Sie ihn sich doch an!«
    »Weder ich noch der Arzt, mit dem ich mich unterhalten habe, glauben, dass das Mädchen vergewaltigt wurde.«
    »Aber sie war nackt.«
    »Aber sie hatten beide Borke im Mund. Baumrinde,zermahlene Baumrinde.«
    »Larissa hatte Erde im Mund.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Warlam Babinitsch hat gestanden, dass er ihr den Mund mit Erde vollgestopft hat.«
    »Und deshalb war er es auch nicht. Der Boden war hartgefroren. Wenn das Erde wäre, wo hätte er die denn hernehmen sollen? In ihrem Mund war ebenso Rinde wie in dem des Jungen. Und die Rinde ist vorher zerkleinert worden. Warum, weiß ich nicht.«
    »Babinitsch hat gestanden.«
    »Er würde alles zugeben, wenn man ihn nur oft genug fragt.«
    »Was macht Sie so sicher, dass es derselbe Mörder war? Eines der Kinder wurde in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs ermordet: achtlos, rücksichtslos, beinahe in Sichtweite. Reisende hätten die Schreie hören können.
    Es war das Verbrechen eines Irren, und ein Irrer hat es auch gestanden. Aber dieses Kind hier wurde fast eine Stunde weit in den Wald geführt. Der Mörder hat Wert daraufgelegt, dass niemand ihn stören konnte. Es ist ein anderer.«
    »Wer weiß denn schon, was mit dem Mädchen passiert ist? Vielleicht wollte er ja mit ihr tiefer in den Wald hinein, dann hat sie es sich anders überlegt, und er musste sie dort ermorden. Warum haben sie beide Schnur um die Fußgelenke?«
    »Es ist ein anderes Verbrechen.«
    »Sie sind hoffentlich nicht so wild darauf, jemanden vor Gericht zu bringen, dass Sie alles sagen und glauben würden?«
    »Erklären Sie mir doch mal, was für ein Mensch erst ein junges Mädchen vergewaltigt und umbringt und danach einen kleinen Jungen vergewaltigt und umbringt. Was für einer soll das denn sein? Ich bin jetzt schon seit zwanzig Jahren bei der Miliz, aber so einer ist mir noch nie untergekommen. Können Sie mir vielleicht ein Beispiel nennen?«
    »Ich kenne keins.«
    »Weil es keins gibt. Es gab einen Grund, warum das Mädchen getötet wurde. Sie musste für ihre blonden Haare sterben. Sie wurde von einem Kranken umgebracht. Und es gab auch einen Grund, warum dieser Junge hier getötet wurde. Er wurde von einem anderen Mann umgebracht, einem mit einer anderen Krankheit.«
23. März
    Alexander schloss den Fahrkartenschalter, ließ den Rollladen herunter und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Obwohl sein Büro nur winzig war, kaum mehr als ein paar Quadratmeter, mochte er sein kleines Reich. Er musste es sich mit keinem teilen, und niemand sah ihm auf die Finger.
    Ein Stückchen Freiheit, unberührt von Quoten und Produktivitätsberichten. Nur einen Nachteil hatte dieser Posten. Jeder, der ihn kannte, nahm an, er müsse enttäuscht darüber sein, wie sein Leben sich entwickelt hatte.
    Vor fünf Jahren war Alexander der schnellste Läufer der Oberschule Nr. 151 gewesen. Die Leute hatten geglaubt, er sei für einen Erfolg auf nationaler Ebene berufen, vielleicht sogar auf internationaler, wenn die Sowjetunion an den Olympischen Spielen teilnahm.
    Stattdessen war er bei einer sitzenden Tätigkeit gelandet, an einem Fahrkartenschalter, und sah anderen Leuten zu, wie sie ihre Reisen antraten, während er selbst nirgendwo hinfuhr. Jahre hatte er damit zugebracht, ein strapaziöses Trainingsprogramm zu absolvieren und regionale Meisterschaften zu gewinnen. Und wozu? Für Fahrpläne und Fahrkarten, eine Arbeit, die jeder machen konnte. Alexander konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als sein Traum geplatzt war. Er und sein Vater hatten den Zug nach Moskau bestiegen, wo ein Auswahlverfahren des CSKA stattfand, des Zentralen Armeesportvereins, der zum Verteidigungsministerium gehörte. Der CSKA war bekannt dafür, die besten Athleten des Landes auszuwählen und sie zu außergewöhnlichen Leistungen zu führen. 90 Prozent der Anwärter wurden abgelehnt. Alexander war gerannt, bis er sich am Rand der Laufbahn hatte übergeben müssen.
    Er war schneller gelaufen als je zuvor und hatte seine persönliche Bestzeit unterboten. Aber er hatte es nicht geschafft. Auf dem Weg nach Hause hatte sein Vater versucht, der Ablehnung noch etwas Positives abzugewinnen. Das würde sie dazu motivieren, noch härter zu trainieren, nächstes Jahr würde er bestimmt angenommen und umso stärker

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