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Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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ein Auto. Als er sah, was Alexander einem seiner Männer zugefügt hatte, schlug Nesterows Stellvertreter ihm eine Faust mitten ins Gesicht. Bevor er noch einmal zuschlagen konnte, schritt Nesterow ein. »Das reicht.«
    Er umkreiste den Verdächtigen und wog seine Worte ab. »Es enttäuscht mich, Sie bei so was erwischt zu haben. Das hätte ich nie von Ihnen gedacht.«
    Alexander spuckte Blut auf den Boden, antwortete aber nichts. Nesterow fuhr fort: »Sagen Sie mir, warum?«
    »Warum? Ich weiß nicht, warum.«
    »Sie haben ein sehr schweres Verbrechen begangen.
    Ein Richter würde Ihnen mindestens fünf Jahre aufbrummen, und es wäre ihm vollkommen egal, wie oft Sie sagen, es tut Ihnen leid.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass es mir leid tut.«
    »Tapfer, Alexander. Aber wären Sie auch noch so tapfer, wenn Sie wüssten, dass jeder davon erfährt? Sie wären erniedrigt, Sie wären eine Schande. Selbst nach den fünf Jahren im Gefängnis könnten Sie hier nicht mehr leben und arbeiten. Sie würden alles verlieren.«
    Leo trat vor. »Jetzt fragen Sie ihn schon.«
    »Es gibt eine Möglichkeit, der Schande zu entgehen.
    Wir brauchen eine Liste aller Männer in dieser Stadt, die mit anderen Männern sexuell verkehren. Die Sex mit jüngeren Männern haben, Sex mit Knaben. Sie werden uns helfen, diese Liste zu erstellen.«
    »Ich kenne keine anderen. Es war das erste Mal.«
    »Wenn Sie es vorziehen, uns nicht zu helfen, werden wir Sie verhaften, Sie anklagen und Ihre Eltern zu Ihrem Prozess vorladen. Gehen sie jetzt vielleicht gerade ins Bett? Ich könnte einen meiner Männer hochschicken und nachschauen lassen oder sie herunterholen.«
    »Nein!«
    »Arbeiten Sie für uns, und vielleicht müssen wir dann Ihren Eltern gar nichts sagen. Arbeiten Sie für uns, und vielleicht werden Sie dann gar nicht angeklagt. Vielleicht kann diese Schande ein Geheimnis bleiben.«
    »Worum geht es hier?«
    »Um den Mord an einem Jungen. Sie würden der Gesellschaft einen Dienst erweisen und Ihre Tat sühnen.
    Machen Sie uns nun die Liste?«
    Alexander betastete das Blut, das ihm aus dem Mund lief. »Und was passiert dann mit den Männern auf der Liste?«
29. März
    Leo saß auf der Bettkante und dachte darüber nach, wie sein Versuch, die Ermittlungen wieder in Gang zu bringen, stattdessen ein stadtweites Pogrom ausgelöst hatte. Im Verlauf der letzten Woche hatte die Miliz 150 Homosexuelle zusammengetrieben. Allein heute hatte Leo sechs Männer verhaftet, was seine Quote auf zwanzig erhöhte. Einige waren direkt von der Arbeit mitgenommen und in Handschellen abgeführt worden, während ihre Kollegen zusahen. Andere hatte man zu Hause abgeholt, aus ihren Wohnungen, von den Familien weggerissen. Die Frauen hatten sie noch angefleht, weil sie überzeugt waren, dass es sich um einen Irrtum handeln musste, und sie die Anschuldigungen nicht fassen konnten.
    Nesterow konnte mit sich zufrieden sein. Durch schieren Zufall hatte er einen zweiten Unerwünschten gefunden: einen Verdächtigen, den er als Mörder bezeichnen konnte, ohne die gesellschaftliche Doktrin aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mord war eine Anomalie.
    Das passte wie angegossen. Nesterow hatte lauthals ankündigen können, dass die Miliz von Wualsk die größte Jagd nach einem Mörder einleiten werde, die es je gegeben habe. Eine solche Behauptung hätte ihn seine Karriere gekostet, wenn es nicht gegen ein solch inakzeptables Milieu gegangen wäre. Weil Platz fehlte, hatte man Büros in behelfsmäßige Untersuchungszellen und Verhörräume umgewandelt. Trotz dieser improvisierten Maßnahmen hatte man in jede Zelle mehrere Männer zusammenpferchen müssen, und die Wachen waren angewiesen worden, sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen, weil man befürchtete, es könne zu abartigen sexuellen Handlungen kommen. Keiner wusste so recht, womit man es hier eigentlich zu tun hatte, aber falls sich solche sexuellen Aktivitäten mitten im Hauptquartier der Miliz abspielten, würde das mit Sicherheit die Gesellschaft untergraben, ein Affront gegen die Prinzipien der Justiz. Außerdem waren sämtliche Beamten in Schichten von zwölf Stunden eingeteilt worden, damit die Verdächtigen ununterbrochen verhört werden konnten, rund um die Uhr. Immer wieder hatte Leo die gleichen Fragen stellen und die Antworten noch nach den kleinsten Abweichungen durchforsten müssen. Stumpfsinnig wie ein Automat hatte er seine Aufgabe erledigt, weil er noch vor der ersten Verhaftung davon überzeugt gewesen war,

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