Kind 44
stattdessen seine Beerdigung überwachen lassen.«
»Fjodor, ich habe versucht, euch zu helfen.«
»Das glaube ich dir sogar. Du hast uns gezeigt, wie wir überleben konnten.« »Ja.«
»Und in mancherlei Hinsicht bin ich dir sogar dankbar.
Sonst hätte der Mann, der meinen Sohn umgebracht hat, auch noch mich und meine Familie umgebracht.
Du hast uns gerettet. Deshalb bin ich auch hier – nicht um dich zu demütigen, sondern um mich zu revanchieren. Wassili hat recht. Du musst deine Frau opfern.
Mach dir nicht die Mühe, nach Beweisen zu suchen.
Denunziere sie, dann überlebst du. Raisa ist eine Spionin, das ist schon längst beschlossene Sache. Ich habe Anatoli Brodskys Geständnis gelesen. Es ist mit derselben schwarzen Tinte geschrieben wie der Polizeibericht über meinen Sohn.«
Nein, Fjodor hatte unrecht. Aus ihm sprach die Wut.
Leo besann sich darauf, dass er eine ganz eindeutige Aufgabe hatte. Er sollte gegen seine Frau ermitteln und über die Erkenntnisse Bericht erstatten. Seine Frau war unschuldig.
»Ich bin fest überzeugt, dass der Grund für die Einlassungen des Verräters im Hinblick auf meine Frau nichts anderes war als Rache. Und bislang legen meine Ermittlungsergebnisse nahe, dass das stimmt.«
Wassili war wieder ins Zimmer getreten. Es war unmöglich zu sagen, wie viel von dem Gespräch er schon mitbekommen hatte. Jedenfalls antwortete er: »Außer dass die anderen sechs Leute, die er genannt hat, alle verhaftet wurden. Und alle sechs haben bereits gestanden.«
»Umso mehr freut es mich, dass ich derjenige war, der ihn festgenommen hat.«
»Der Name deiner Frau wurde von einem verurteilten Spion genannt.«
»Ich habe das Geständnis gelesen. Raisas Name ist der letzte auf der Liste.«
»Die Namen wurden nicht nach ihrer Wichtigkeit geordnet.«
»Ich glaube, dass ihr Name aus Gehässigkeit hinzugefügt wurde. Ich glaube, dass er mich persönlich treffen wollte. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sich von diesem so offensichtlich verzweifelten Trick jemand an der Nase herumführen lässt. Ihr seid herzlich eingeladen, mir bei der Durchsuchung zu helfen – falls das der Grund für euer Kommen war. Wie ihr sehen könnt ...«
– Leo deutete auf die herausgerissenen Dielen – »... ich war ziemlich gründlich.«
»Gib sie auf, Leo. Sei doch mal realistisch. Auf der einen Seite ist da deine Karriere, deine Eltern. Auf der anderen Seite steht eine Verräterin und Schlampe.«
Leo warf Fjodor einen Seitenblick zu. Auf dessen Gesicht zeigte sich keinerlei Regung, keine Schadenfreude. Wassili fuhr fort. »Du weißt doch selbst, dass sie eine Hure ist. Deshalb hast du sie doch früher schon einmal beschatten lassen.«
Leos Wut wich dem Schock. Sie hatten es gewusst. Sie hatten es die ganze Zeit gewusst.
»Hast du etwa geglaubt, das wäre ein Geheimnis? Das weiß doch jeder. Denunziere sie, Leo. Mach dem ein Ende. Befrei dich endlich von diesen Zweifeln, von den bohrenden Fragen in deinem Hirn. Gib sie auf. Danach gehen wir zusammen einen trinken, und am Ende des Abends hast du eine neue Frau.«
»Ich werde morgen über meine Erkenntnisse berichten.
Wenn Raisa eine Verräterin ist, werde ich das auch zu Protokoll geben. Und wenn nicht, sage ich es ebenfalls.«
»Dann wünsche ich dir viel Glück, Genosse. Solltest du diesen Skandal überleben, dann wirst du eines Tages der Leiter des MGB, da bin ich mir sicher. Und dann wäre es eine Ehre, unter dir zu arbeiten.«
An der Tür wandte Wassili sich noch einmal um. »Denk an meine Worte. Dein Leben und das deiner Eltern gegen ihres. Da fällt einem die Entscheidung doch leicht.«
Leo schloss die Tür. Die Händen zitterten ihm und er hörte, wie sie sich entfernten. Er ging zurück ins Schlafzimmer und besah sich das Durcheinander. Dann legte er zunächst die Dielen zurück an ihren Platz und schraubte sie fest. Er machte das Bett, zog sorgfältig alle Laken gerade und zerknitterte sie anschließend wieder ein wenig, so wie er sie auch vorgefunden hatte. Er verstaute Raisas Kleider, faltete sie und legte sie übereinander. Ihm fiel ein, dass er sich nicht mehr genau erinnern konnte, in welcher Reihenfolge er sie herausgezogen hatte. Dann musste es eben so reichen.
Als er ein Baumwollhemd aufhob, fiel ein kleines Ding heraus und rollte über den Boden. Leo bückte sich und hob es auf. Es war eine kupferne Rubelmünze. Er warf sie auf sein Nachtschränkchen. Als sie auftraf, brach sie auseinander und die zwei Hälften purzelten zu
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