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Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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mehr zu sehen waren. Die einzige Methode, wie man sie entdecken konnte, war, die Matratze abzutasten. Als er nichts fand, wandte er sich den Regalen zu. Er kontrollierte jedes Buch und alles, was darin eingelegt worden war. Er fand 100 Rubel, glotzte das Geld an und fragte sich, was das hieß, bis ihm einfiel, dass das Buch ebenso ihm gehörte wie das Geld, ein geheimer Notgroschen. Ein anderer Agent hätte daraus möglicherweise den Beweis abgeleitet, dass der Besitzer ein Spekulant war. Leo legte das Geld zurück, zog die Schubladen auf und musterte Raisas ordentlich gefaltete Kleidungsstücke. Jedes einzelne nahm er heraus, befühlte und schüttelte es, bevor er es auf einen Haufen am Boden fallen ließ. Nachdem er alle Kleider herausgenommen hatte, kontrollierte er die Seiten und die Rückwand der Schubladen. Als er nichts fand, drehte er sich um und durchsuchte das Zimmer. Er drückte sich gegen die Wände und fuhr mit den Fingern darüber, auf der Suche nach Umrissen eines etwaigen Tresors oder Hohlraums. Dann nahm er den gerahmten Zeitungsausschnitt ab, das Foto von ihm und dem brennenden Panzer. Seltsam, dass ihm dieser Moment, als Leo vom Tod umringt gewesen war, im Rückblick wie eine glücklichere Zeit vorkam. Er nahm den Rahmen auseinander, der Zeitungsausschnitt segelte zu Boden.
    Nachdem er das Foto in den wieder zusammengesetzten Rahmen geklemmt hatte, klappte er das Bett hoch und lehnte es gegen die Wand. Er kniete sich hin. Die Dielen waren fest verschraubt. Aus der Küche holte er sich einen Schraubenzieher und nahm jede einzelne Diele hoch. Darunter fand sich nichts als Staub und Rohrleitungen.
    Leo ging in die Küche und wusch sich den Staub von den Händen. Wenigstens gab es jetzt warmes Wasser.
    Er gönnte sich einen Moment Pause, indem er die Hände einseifte und seine Haut immer weiter schrubbte, selbst als der Schmutz längst weg war. Was versuchte er sich von den Händen zu spülen? Seinen Verrat? Nein, mit solchen Metaphern konnte er nichts anfangen. Er wusch sich einfach die Hände, weil sie schmutzig waren. Er durchsuchte seine Wohnung, weil es getan werden musste. Er durfte sich auch nicht zu viel bei allem denken.
    Es klopfte an der Wohnungstür. Leo spülte sich die Arme ab, die von den Handgelenken bis zu den Ellenbogen mit cremefarbenem Seifenschaum bedeckt waren. Es klopfte wieder. Während ihm das Wasser noch von den Armen tropfte, ging er in den Flur und rief: »Wer ist da?«
    »Wassili.«
    Leo schloss die Augen. Er merkte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, und versuchte die aufkeimende Wut zu unterdrücken. Wassili klopfte noch einmal. Leo machte einen Schritt vor und öffnete die Tür. Wassili war in Begleitung zweier Männer. Der erste war ein junger Beamter, den Leo nicht kannte. Er hatte weiche Gesichtszüge und leichenblasse Haut und starrte Leo mit ausdruckslosen Augen so an, als hätte man zwei Murmeln in einen Teigkloß gedrückt. Der zweite Beamte war Fjodor Andrejew. Wassili hatte sich seine Leute mit Bedacht ausgesucht. Der Mann mit der bleichen Haut war zu seinem Schutz da. Mit Sicherheit stark, ein guter Schütze oder geschickt im Umgang mit dem Messer. Fjodor hatte er aus reiner Gehässigkeit mitgebracht.
    »Was gibt’s?«
    »Wir sind gekommen, um dir zu helfen. Generalmajor Kuzmin hat uns geschickt.«
    »Danke, aber ich habe die Durchsuchung im Griff.«
    »Da bin ich mir sicher. Wir sind auch nur da, um zu helfen.«
    »Danke, aber das ist nicht nötig.«
    »Komm schon, Leo. Wir sind den ganzen weiten Weg gefahren. Und hier draußen ist es kalt.« Leo trat zur Seite und ließ sie herein.
    Keiner der drei Männer zog seine Stiefel aus, die voller Eisklumpen waren. Große Brocken lösten sich und schmolzen auf dem Teppich. Leo schloss die Tür. Ihm war klar, dass Wassili hier war, um ihm eine Falle zu stellen. Er wollte, dass Leo die Beherrschung verlor. Er suchte Streit, hoffte auf eine unbedachte Bemerkung, irgendetwas, was zu seinem Vorteil war.
    Leo bot seinen Gästen Tee an, oder auch Wodka, wenn sie den lieber wollten. Wassilis Vorliebe für Alkohol war allgemein bekannt, aber Trinken galt als das geringste aller Laster, wenn es überhaupt eines war. Mit einem Kopfschütteln lehnte er Leos Angebot ab und spähte ins Schlafzimmer. »Was hast du gefunden?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat Wassili das Zimmer und nahm die umgedrehte Matratze in Augenschein.
    »Du hast sie nicht aufgeschnitten.«
    Er beugte sich hinunter, zog sein Messer und wollte die

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