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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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weiter.
    Von ihrem Platz aus konnte Carol André nur im Profil sehen. Seine Augen schienen feucht zu werden, und sie fragte sich, ob er weinte, konnte es jedoch nicht mit Sicherheit sagen. Doch sie war fasziniert von dem, was geschah.
    André schwieg weiterhin und nickte lediglich hin und wieder mit dem Kopf, während Julien sprach. Schließlich rief Julien nach Karl, und die drei Männer verließen gemeinsam das Zimmer.
    Carol wandte sich ihrem Sohn zu. Michael saß vollkommen reglos da und blickte verängstigt drein. Mit einem Mal sprang er von seinem Platz neben Gerlinde auf und stürzte ihnen nach. Nun waren die Frauen unter sich.
    Die vier blickten einander an. Gerlinde fragte etwas auf Deutsch, und Chloe antwortete auf Englisch: »Ein Mann braucht die Bewunderung eines älteren Mannes, damit alles im Fluss bleibt.«
    Carol war am Boden zerstört. »Ich möchte nicht von hier weggehen und Michael verlassen«, sagte sie zu niemandem im Besonderen.
    »Du musst uns nicht verlassen«, erklärte Chloe.
    »Aber André will es nicht tun. Das hat er doch gesagt. Er kann nicht. Er hasst mich.«
    »Er wird es tun«, versicherte ihr Gerlinde.
    »Und er hasst dich auch nicht«, fügte Jeanette hinzu.
    Carol blickte sie an und schüttelte den Kopf. »Woher willst du das wissen? Du hast doch gesehen, was hier passiert ist. Und in der Küche! Das ist doch keine Liebe!«
    »Märchen sind immer schön, nicht wahr?«, sagte Morianna mit seidenweicher Stimme. »Unglücklicherweise spiegeln sie nur einen Teil des Rätsels wieder, das eine Beziehung darstellt. Der Weg zur Liebe umfasst mehr als nur Liebenswürdigkeiten.«
    Carol bedachte sie mit einem wütenden Blick. »Heißt das, ich soll mich von ihm herumschubsen lassen? Jedes Mal, wenn ihm eine Laus über die Leber läuft, kann er mir eine runterhauen? Ihr würdet das auch nicht mitmachen, warum also ich?«
    »Das verlangt doch niemand von dir«, sagte Jeanette. »Aber du wirst auch nicht zu ihm durchdringen, indem du dich gegen ihn stellst.«
    »Aber eben in der Küche hast du mir noch gesagt, ich soll mich gegen ihn wehren.«
    »Ich habe dir geraten, in dich zu lauschen und entsprechend zu reagieren, aus deinem tiefsten Innern heraus. Und zwar voller Mitgefühl.«
    Carol lachte bitter. »Das ist doch alles Unsinn! Er hat kein Mitgefühl nötig. Was dieser Mann braucht, ist eine Zwangsjacke! Er ist doch nicht normal! Im einen Augenblick ist er nett zu mir und im nächsten schon wieder bereit, mir den Kopf abzureißen. Er ist unberechenbar. Und ich habe keine Chance, mich dagegen zu wehren.«
    »Dann hör auf, es zu versuchen«, schlug Chloe vor.
    Carol war erregt, wütend und durch und durch verwirrt. Sie erhob sich und ging kopfschüttelnd im Zimmer auf und ab. »Das ist doch lächerlich! Ich weiß nicht, wovon ihr alle überhaupt redet. Er will es nicht tun, also warum sollte er? Und ich will auch nicht, dass er es tut, denn so, wie er sich im Moment gibt, wird es mir wie den beiden anderen ergehen, und mein Sohn wird einen Schock fürs Leben davontragen, weil er zusehen muss, wie sein Vater seine Mutter an seinem neunten Geburtstag in Stücke reißt. Es ist mir egal, ob André es tut oder nicht. Ich jedenfalls werde es nicht tun!«
    »Sag das nicht, Schätzchen«, meinte Gerlinde.
    »Und warum nicht?«, fuhr Carol sie an.
    »Weil dir gar keine andere Wahl mehr bleibt.«
    Sie redeten noch eine ganze Weile mit ihr und versuchten sie dazu zu überreden, ihre Angst vor Andrés sprunghaftem Wesen zu überwinden, aber Carol ließ sich nicht überzeugen. Sie schlugen vor, sie solle aufhören, auf ihn zu reagieren, und zu erkennen versuchen, was sich hinter seinen Wutausbrüchen verbarg.
    »Warum sollen immer die Frauen Verständnis zeigen?«, beschwerte Carol sich bitter.
    »Irgendwo muss man doch anfangen«, entgegnete Jeanette.
    »Und warum versucht er dann nicht, mich zu verstehen?«
    »Dazu hat er viel zu viel Angst«, erklärte Chloe.
    »Er hat Angst? Nun, soll er ruhig! Er hat sie doch nicht mehr alle!«
    Sie redeten stundenlang, bis allmählich die Sonne aufging und Gerlinde Carol an die Kellertür brachte.
    »Schätzchen, du musst versuchen, an ihn ranzukommen. Ich weiß, dass es nicht leicht ist. Wenn es doch nur Psychiater für Vampire gäbe oder wenigstens ein anständiges Beruhigungsmittel. Na ja, du hast jedenfalls Recht, er ist vollkommen durch den Wind. Und das Wort >Entschuldigung< kennt er schon dreimal nicht. Ich muss es

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