Kind der Nacht
André, nimm mich, jetzt! Ich gehöre ganz dir!«
Mit einem Mal wurde ihr bewusst, was sie getan hatte. Sie hatte ihn angefleht. Entsetzen packte sie. Sie riss die Augen weit auf und sah ihn über sich, sein Gesicht kalt, kälter, als sie erwartet hatte. Aber er wirkte verblüfft, gefangen in einer Zwickmühle, in die er sich selbst hineinmanövriert hatte, zwischen dem Wunsch, sie zu besitzen auf der einen und sie zu verachten auf der anderen Seite. Ihr Schicksal hing allein vom Ausgang seines inneren Konfliktes ab.
Eine Ewigkeit lang schien die Zeit stillzustehen. Keiner von beiden rührte sich oder wagte auch nur zu atmen. Und dann passierte etwas. Sie wusste nicht, was den Ausschlag gab oder wie er sich entschieden hatte. Sie begriff nur, dass er hart wurde und sie ihm nichts entgegenzusetzen hatte, als er tief in sie eindrang, tiefer als jemals zuvor.
Sie schrie auf, schrie seinen Namen, wieder und wieder, während er über sie herfiel, sie nahm und in eine Ekstase versetzte, von der sie niemals geträumt hätte.
Als sie hinterher eng umschlungen nebeneinander lagen, wusste sie genau, was für ein Ausdruck auf ihrem Gesicht lag, denn sie hatte ihn zuvor bei Jeanette gesehen - jenen Ausdruck völliger Hingabe.
7
Am nächsten Abend verließen sie das Chateau kurz nach Sonnenuntergang in Andrés Limousine. Als sie die Autobahn erreichten, drehte Carol sich zu ihm, um ihn zu betrachten. Von der Seite wirkte sein Gesicht hager und die Züge scharf ausgeprägt. Sie wusste, dass es ihn nach Blut verlangte.
Sie waren schon zwanzig Minuten unterwegs, ehe er etwas sagte. »Setz dich näher zu mir!«
Sie rutschte zu ihm, witzelte jedoch: »Unser Vertrag ist abgelaufen.«
Er blickte sie an. Seine Augen blieben ohne Ausdruck, winzige Punkte, die sie durchdrangen. »Unser Vertrag läuft dann aus, wenn ich es sage!«
Sie widersprach ihm nicht. Noch hatte sie es nicht geschafft.
Wie damals auf der Fahrt von der Stadt zum Chateau legte er den Arm um sie und bog ihr den Kopf nach hinten. Er küsste sie lang und leidenschaftlich. Seine Hand strich über ihr Gesicht, ihre Kehle, als sei er blind und wolle sich ihre Züge einprägen. Schließlich kamen seine kühlen Fingerspitzen auf der pochenden Vene an ihrem Hals zur Ruhe.
Carol genoss seine Küsse, gab sich ihnen hin und stellte sich vor, wie es wohl sein würde, mit ihm zu leben und den Rest ihres Lebens in dieser Leidenschaft zu schwelgen. Der Gedanke erregte sie, und sie erwiderte sein Verlangen.
So schlimm ist er ja gar nicht, sagte sie sich, während die Erinnerung an seine Gewaltausbrüche verblasste und anderen, weit angenehmeren Bildern wich. Ich kann ihn ändern, das weiß ich. Er ist sowieso schon in mich vernarrt, und ich kann mit der Zeit lernen, ihn zu lieben, auch wenn er ein paar Probleme hat. Es wird gar nicht so schwer sein. Was habe ich denn schon zu verlieren?
Mit einem Mal kam ihr der verrückte Gedanke, ihm erneut einen Pakt vorzuschlagen. Sie würde einen weiteren Monat bei ihm bleiben und zusehen, wie die Dinge sich entwickelten. Natürlich würde sie wieder darauf bestehen, dass er ihr kein Blut abzapfte, und sie würde ihm wohl sagen müssen, dass sie wahrscheinlich infiziert war. Und er müsste dieses Mal auch einwilligen, ihr nicht wehzutun. Er würde Ja sagen, dessen war sie sich sicher.
Sie überquerten die modernere der beiden Brücken, die Pont de Cubzac, bogen in die am Hafen entlangführende Straße ein und hatten schon fast die Stelle erreicht, an der sie das Taxi vor erst vierzehn Nächten abgesetzt hatte. Erneut pressten seine Lippen sich auf die ihren, ein feuchtes hartnäckiges Drängen, das ihr Schockwellen durch den Unterleib jagte. Als ihre Lippen sich voneinander lösten, blickten sie einander an.
Carol hatte bereits den Mund geöffnet, um ihm zu sagen, was sie sich überlegt hatte. Doch er kam ihr zuvor. »Komm niemals hierher zurück! Niemals!«, sagte er eisig.
Sie war wie betäubt und konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Der Wagen hielt, und er stieg aus. Er sah sie nicht an.
Ohne ein weiteres Wort schloss er die Tür und ging mit raschen Schritten am Kai entlang, den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Die Limousine fuhr sofort wieder los. Sie überquerten die Pont de Pierre, die sie direkt in die Innenstadt führte, und Carol wurde vor ihrem Hotel abgesetzt. Wie eine wandelnde Tote ging sie hoch in ihr Zimmer, packte und checkte aus.
»Ihre Rechnung wurde
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