Kind der Nacht
auszusetzen hatte.
»Ich habe mich entschieden. Du bleibst hier, bis das Kind zur Welt gekommen ist. Ist die Geburt erst einmal vorüber, verschwindest du. Das Baby bleibt hier.«
Carol setzte ihre Tasse mitsamt der Untertasse ab. »Ich will das Kind nicht. Ich habe dir doch gesagt, ich will eine Abtreibung.«
»Was du willst oder nicht, spielt hier keine Rolle.«
»Stellst du mir schon wieder ein Ultimatum? Entweder läuft alles nach deinem Kopf oder du bringst mich um. Habe ich Recht?«
»Alles läuft nach meinem Kopf . Nichts weiter!«
»Wird es dir nicht langsam zu viel, das gesamte Universum zu beherrschen? Es muss doch furchtbar öde sein, immerzu nur den Dämonischen zu spielen.« Sie kam sich ziemlich mutig vor. Sie hatte keine Lust mehr, seinen patriarchalischen Mist noch länger zu ertragen.
»Das ist mein Angebot: Du bleibst hier, bekommst das Kind, und dann kannst du gehen! Das ist alles!«
»Und was habe ich davon?«
»Dein Leben.«
»Vielleicht ist mir das nicht mehr genug.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dich vor eine Wahl gestellt zu haben.«
»Ich werde fliehen. Oder eine Fehlgeburt haben.«
»Versuche es, und ich kette dich für die nächsten acht Monate an dieses Bett.«
Carol schwieg. Er hatte sie sprichwörtlich in der Hand, das wussten sie beide. »Warum willst du das Kind? Du glaubst ja noch nicht einmal, dass es von dir ist. Willst du ihm das Blut aussaugen?«
»Du blöde Kuh! Es überrascht mich, dass du es noch nicht geschafft hast, jemanden so weit zu treiben, dass er dich umbringt.«
»Immer eine Drohung auf den Lippen. Warum nur? Du bist doch so stark, körperlich und auch sonst. Aber du führst dich auf wie ein kleines Kind mit einem Spielzeughammer. Alles, was du siehst, musst du kaputtmachen.«
Er stand auf und ging quer durchs Zimmer ans Fenster. Als er die schweren Vorhänge aufzog und hinausblickte, wandte er ihr den Rücken zu. »Du kannst es auf die sanfte Tour haben oder auch auf die harte. Für mich macht das keinen Unterschied.« Er drehte sich zu ihr um. »Aber du wirst es tun, glaub mir!«
Carol biss sich auf die Unterlippe und fragte sich, worauf er hinauswollte.
Als habe er ihre Gedanken gelesen, sagte er: »Die sanfte Tour sieht so aus: Du bleibst hier, benimmst dich und siehst zu, dass du gesund bleibst, und hältst dich zu meiner Verfügung, so wie gehabt. Und in acht Monaten bringst du ein Kind zur Welt. Einen Tag später verschwindest du von hier.«
»Und die harte Tour?«
»Das Gleiche wie eben, nur dass ich Gewalt anwende. Und das dürfte dir nicht gefallen.«
Er ging zur Tür und hielt sie auf. »Denk drüber nach. Tu dir selbst einen Gefallen.« Damit war er verschwunden.
Ein paar Minuten später probierte Carol die Klinke. Es war abgeschlossen.
Gegen Mitternacht kam André zurück und brachte sie nach unten.
Gerlinde, Karl und Chloe warteten im Wohnzimmer auf dem Sofa, das dem Kamin am nächsten stand. André nahm ihnen gegenüber Platz.
»Setz dich zu mir, Carol«, sagte Chloe, indem sie auf das weiche Polster klopfte. Carol setzte sich und ließ ihren Blick ringsum schweifen. Die vier beobachteten sie aufmerksam.
»Wir wollen uns mit dir über das, was hier vor sich geht, unterhalten. Ich weiß, du musst ziemlich durcheinander sein.«
Carol atmete tief durch. Ihre Schultern sackten etwas nach vorn. Sie fühlte sich wieder müde. Und niedergeschlagen. Aber es war gut, dass Chloe so nett zu ihr war, sonst würde sie vielleicht noch eine
Dummheit begehen. Am liebsten hätte sie sich umgebracht.
»Was mit dir passiert, deine Schwangerschaft, ist sehr, sehr ungewöhnlich. Wirklich erstaunlich!«
»Mondo fantastico«, sagte Gerlinde.
»Der Legende zufolge geschieht es nur äußerst selten, dass jemand von uns einen Nachkommen zeugt«, redete Chloe weiter. »Ein Mann unserer Art schwängert eine Sterbliche. Andersherum scheint es nicht zu funktionieren.«
Mein Gott!, dachte Carol. Eine Sterbliche? Wofür halten die sich eigentlich? Etwa für Götter? Die haben sie doch nicht mehr alle!
»Es kommt so selten vor«, fuhr Chloe fort, »alle paar hundert Jahre nur einmal, dass wir es kaum zu glauben vermögen, wenn es tatsächlich passiert. Keiner hier in diesem Raum hat etwas Derartiges schon erlebt. Und ich bin die Einzige hier, die überhaupt davon gehört hat.«
»Ein heiliges Kind«, sagte Karl.
Das Kind eines Dämons, dachte Carol. »Wie kommt es, dass so etwas passiert?«, brachte sie mühsam
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