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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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Straße war voller Menschen. Aus dem Augenwinkel bekam Carol mit, wie die Leute zu ihnen herüberschauten. Sie lächelten und nickten wohlwollend, wahrscheinlich weil sie annahmen, es handle sich um ein Liebespaar. Im Bruchteil einer Sekunde entschloss sie sich, so laut sie nur konnte, um Hilfe zu schreien.
    »Ich werde es dir nur einmal sagen«, sagte André so ernst, dass sie ihm wie gebannt an den Lippen hing. »Mach jetzt bloß keine Dummheiten, auch wenn ich überzeugt davon bin, dass es dir schwer fällt.«
    Er küsste sie sanft auf die Lippen. »Solltest du aus der Reihe tanzen, werde ich dir so wehtun wie noch nie, ganz gleich, ob du nun schwanger bist oder nicht. Das Wort Schmerz wird eine völlig neue Dimension für dich bekommen. Verstanden?«
    Carol nickte. Er lächelte sie an, küsste sie nochmals und legte ihr einen Arm fest um den Nacken. Auf dem Weg ins Hotel nickte er einigen Leuten, die vorübergingen, zu und wünschte ihnen ein  bonsoir. Er hat sie nicht mehr alle, ging es ihr durch den Kopf.
    Sie hielten an der Rezeption, um Carols Zimmerschlüssel zu holen, und gingen sofort nach oben. Kaum hatten sie das Zimmer betreten, schaltete er das Licht an und sagte: »Zieh dein Kleid aus und gib es mir!«
    Einen Augenblick lang war Carol wie erstarrt. Dann stellte sie ihre Handtasche ab und öffnete die Sicherheitsnadeln, mit denen sie das ärmellose Sommerkleid zusammenhielt, das er ihr zwei Nächte zuvor zerrissen hatte. Sie ließ das Kleid an ihren Hüften hinabgleiten, legte es sorgfältig zusammen und reichte es ihm. Prompt riss er es in Fetzen und warf es in den Mülleimer. »Ziehe nie wieder etwas derart Hässliches an, solange du mit mir zusammen bist. Und jetzt zieh den Rest aus!« Carol entledigte sich ihres Slips, der gleichfalls zerrissen war, und ihrer Schuhe.
    »Leg dich hin und mach die Beine breit!«
    »Rede nicht so mit mir!«, platzte es aus ihr heraus.
    Er lachte sarkastisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie rede ich denn mit dir? Wie mit einer Hure, die du ja auch bist! Was erwartest du denn? Du wolltest mich mit Aids infizieren. Glaubst du etwa, das finde ich besonders liebenswert?«
    »Ich wollte gar nichts. Ich bin davon ausgegangen, dass du es, wenn du es denn kriegen könntest, wahrscheinlich sowieso schon hättest, wegen all der Seeleute. Wenigstens konntest du mich nicht anstecken.«
    »Und was war dann der Witz bei all dem Gerede, dir nicht das Blut auszusaugen?«
    »Falls du nicht immun gewesen wärst, hätte ich dich nicht anstecken können. Das war mein erster Gedanke, ehe wir miteinander geschlafen haben. Außerdem wollte ich nicht sterben, das ist alles. Ich habe es dir so oft zu sagen versucht. Ich bin sogar zurückgekommen, um es dir zu sagen.« Sie war vollkommen außer sich.
    »Natürlich!«, grinste er höhnisch.
    André trat an den Wandschrank und holte ihr Gepäck heraus. Er nahm ihre Kleider, Röcke und Blusen von den Bügeln, jedes Stück einzeln, und warf sie angeekelt wahllos in den Koffer. »Du läufst herum wie eine Putzfrau mit dem Geschmack eines Zimmermädchens.«
    Als nichts mehr von ihr im Schrank war, durchwühlte er die Kommoden und suchte ihr ein olivgrünes M*A*S*H-T-Shirt und ein Paar Shorts in Tarnfarben aus. Bis auf ihre Haarbürste, die Zahnbürste und ihre Kosmetiktasche, die er in die Handtasche stopfte, warf er alles in den Koffer.
    Er warf ihr die Shorts und das T-Shirt zu. »Zieh das an!«
    Sie ging an den Koffer, um ihre Unterwäsche herauszuholen, aber er hielt sie auf. »Du brauchst nichts untendrunter, nur das T-Shirt und die Shorts.«
    Sie zog die Sachen an und schlüpfte dann in die flachen Schuhe, die sie auch zuvor getragen hatte.
    »Kremple sie um«, befahl er ihr.
    Carol schlug ihre Shorts zweimal um.
    »Weiter!«
    Sie schlug sie noch einmal um.
    »Noch zweimal«, wies er sie an.
    Ihre Shorts waren jetzt in der Tat sehr kurz. Von ihrem Hinterteil wurde viel zu viel preisgegeben. »So kann ich nicht unter die Leute gehen. Das ist doch viel zu peinlich.«
    »Die Angst der Sterblichen. Typisch! Ihr seid ja so von euch eingenommen.«
    Während sie sich aufs Bett setzte und wartete, rief er an der Rezeption an. Binnen fünf Minuten war ein Hotelpage an der Tür. André gab dem Jungen ein bisschen Geld und ein paar Anweisungen auf Französisch. Danach sagte er zu Carol: »Zu Hause werde ich deine Koffer wegschließen, damit ich mir diese Lumpen nicht länger ansehen muss. Du

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