Kind der Nacht
sie sich immer weiter von der Innenstadt. Es war noch immer sehr warm, aber die Luftfeuchtigkeit war nicht mehr ganz so hoch, sodass Carol sich etwas besser fühlte. Aber sie war müde.
»Können wir nicht einen Moment stehen bleiben? Mir tun die Füße weh. Es sind die Schuhe.«
André drehte sich zu ihr und zog sie an sich. Er musterte sie von oben bis unten, und offensichtlich gefiel ihm ihr neues Aussehen. Dann küsste er sie auf die Lippen. Ein Paar, das die gleiche Richtung wie sie eingeschlagen hatte, ging an ihnen vorüber.
Schon bald wurde sein Kuss leidenschaftlich, fordernd. Er streifte ihr das ärmellose Top herunter, entblößte ihre Brüste und schob ihr den Rock hoch bis zur Hüfte.
»Nicht!«, sagte sie, bemüht, ihre Blöße zu bedecken. Doch seine Finger waren überall gleichzeitig.
Er drehte sie um. »Halte dich daran fest«, sagte er, mit dem Kopf auf einen Laternenpfahl deutend.
»Warum hier, warum jetzt?« In Carols Stimme lag ein Flehen, aber sie war zu erschöpft, um ihm wirklich zu widersprechen. Außerdem, was macht es überhaupt noch aus?, dachte sie.
Er umfasste ihre Hüften und nahm sie von hinten. Langsam, mit rhythmischen Stößen, drang er immer tiefer in ihre Vagina ein. Der Himmel über ihnen war sternenklar, und der Vollmond schien. Sie hörte, wie unter ihnen das Wasser gegen die Kaianlagen schlug und wie heftig sie beide atmeten. Erstaunt stellte sie fest, dass sie feucht war, und noch überraschter war sie, als sie sich dabei ertappte, wie sie vor Lust stöhnte.
12
Den restlichen Teil des zweiten und den gesamten dritten Monat verbrachte Carol damit, sich an ihre Schwangerschaft und das Leben im Chateau zu gewöhnen. Oft ging sie abends mit André in die Stadt, oder sie unternahmen einen Spaziergang am Strand, andere Abende verbrachte sie unten im Haus und unterhielt sich mit Chloe und Gerlinde, oder auch mit Karl, wenn er zugegen war. Für eine Gefangene wurde sie recht gut behandelt, obwohl ihr die Leber mit oder ohne Spinat, die es Tag für Tag gab, auf die Nerven ging.
Carol stand André noch immer misstrauisch gegenüber, weil er so unberechenbar war. Aber es war nicht alles schlecht. Mitunter ertappte sie sich sogar dabei, dass sie es genoss, mit ihm zusammen zu sein.
Eines Abends brachte er ihr sechs Birds ofParadise mit - Birnen in Vanillesoße. Sie duschten zusammen und lachten viel. Doch als Carol aus der Dusche trat und sich gerade abtrocknen wollte, überkam sie ein heftiger Anfall ihrer täglichen Übelkeit.
Im Spiegel sah sie, dass ihr Gesicht aschfahl war. »Du lässt mich jetzt besser allein«, warnte sie ihn.
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, begann sie sich auch schon mit aller Macht zu übergeben. Sie griff nach dem Handtuchhalter, um sich abzustützen, aber er brach aus der Wand und sie fiel. Dabei musste sie so heftig würgen, dass ihr auch noch die Tränen kamen. André fing sie auf und hielt sie, während sie ihr Abendessen in die Toilettenschüssel erbrach.
Er war so sanft zu ihr, dass Carol es kaum zu fassen vermochte. Er wischte ihr das Gesicht ab und gab ihr Wasser, damit sie sich den Mund ausspülen konnte. Danach trug er sie in ihr Bett. Nachdem er sie sorgfältig zugedeckt und das Licht gelöscht hatte, legte er sich neben sie.
Carol hatte jedes Mal Angst vor der Übelkeit. André schien dies zu spüren und blieb, bis der Morgen dämmerte, hielt sie in den Armen, küsste sie und strich ihr übers Haar, wenn sie weinte. Er erzählte ihr komische Geschichten über die merkwürdigen Gestalten, die er von der Promenade her kannte, »Vampirgroupies«, wie er sie nannte, und brachte sie trotz ihrer Tränen zum Lachen und lenkte sie von ihrer Übelkeit ab. Carol war ihm dankbar dafür, und das sagte sie ihm auch.
Am nächsten Abend kam er herein, als sie gerade dabei war, sich umzuziehen. »Und, geht es dir besser?«
»Ja.« Sie trug einen der neuen Röcke, die er ihr gekauft hatte, aber kein Oberteil. Sie hatte keinerlei Hemmungen mehr, sich nackt vor ihm zu zeigen.
»Lass das an«, befahl er. Er setzte sich in einen Sessel und zog sein Hemd aus. »Komm her.« Er zog sie hinunter auf seinen Schoß. »Ich habe dir ein paar Bücher mitgebracht. Such dir eins aus. Ich werde dir eine Gutenachtgeschichte vorlesen. Wirklich sehr gut. Von unseren besten französischen Autoren.«
Er reichte ihr drei Taschenbücher. Sie überflog die Titel - Justine, Die Geschichte der O und Die
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