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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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auf Frauen und Männer, und zwar ziemlich viele davon. Darum bin ich mit dem HlV-Virus in Berührung gekommen.«
    André ließ seine Finger durch ihr Haar gleiten, von der Kopfhaut bis zu den Spitzen. Es war so beruhigend.
    »Ich dachte, ich würde ihn lieben, vielleicht habe ich ihn auch geliebt, ich weiß es nicht mehr. Wir haben uns vor über einem Jahr scheiden lassen.«
    »Ist das der Grund, weshalb du mit keinem anderen geschlafen hast?« Seine Hände ließen von ihr ab, aber seine Waden ruhten nach wie vor an ihren Hüften, ihre Körper berührten sich also weiterhin. Sie drehte den Kopf auf die andere Seite und seufzte tief auf.
    »Ich glaube schon. Das und der Virus. Ich war einfach, nun ja, innerlich verwundet. Betrogen. Und der Gedanke, mich noch einmal so verletzen zu lassen, war mir unerträglich.«
    Sie schwiegen. So langsam übermannte Carol der Schlaf. Sie hörte, wie die Uhr im Erdgeschoss elfmal schlug. »Was ist mit dir?«, fragte sie leise. »Warst du je verheiratet?«
    André stand auf, so abrupt, dass sie die Augen aufschlug. Er trat an den Wandschrank, öffnete ihn und nahm ein knallrotes Kleid heraus, das er ihr erst vor Kurzem gekauft hatte. »Zieh das an! Wir gehen essen und danach, wenn du magst, in einen Club.«
    Eines Abends, als Carol allein im Wohnzimmer saß, kam Chloe zu ihr.
    »Hallo Carol! Gut siehst du aus! Hilft dir der Tee gegen die Übelkeit?«
    Seufzend legte Carol ihr Buch beiseite. »Ein bisschen, nehme ich an. Seit zwei Tagen habe ich mich schon nicht mehr übergeben müssen. Aber hin und wieder ist mir immer noch schlecht. Jetzt zum Beispiel!«
    »Ich habe da etwas für dich.«
    »Hoffentlich nicht schon wieder Leber!«
    »Nein«, lachte Chloe und reichte ihr eine kleine rechteckige Schachtel. »Das ist von Jeanette. Du erinnnerst dich doch an sie, oder?«
    »Selbstverständlich. Sie hat mir die Tarotkarten gelegt und erklärt, das heißt bis auf die letzte.«
    »Nun ja, sie war ein bisschen durcheinander, und ich auch. Normalerweise bezieht diese Karte sich auf die Fruchtbarkeit. Die Herrscherin ist die große Erdmutter, die die Verbindung zwischen Himmel und Erde, Körper und Geist, herstellt, und zwar durch die Liebe. Sowohl sie als auch ihre Umgebung haben keine Ahnung von ihren Kräften. Keiner von uns sah, was das mit dir zu tun hatte. Jetzt ist es natürlich offensichtlich. Mach das hier auf!«
    Carol betrachtete die erlesen schöne Schachtel. Sie bestand aus poliertem Ebenholz und war mit einem Muster aus gold- und silberüberzogenen Blättern versehen, die maskenhafte Gesichter bildeten. Die Schachtel war mit hauchdünnen goldenen und silbernen Bändern verschnürt. In ihrem Innern fand Carol einen etwa fünf Zentimeter langen, wie einen Stab geformten durchsichtigen Stein. Sie hielt ihn gegen das Licht. »Was ist das? Ein Kristall?«
    »Rauchquarz. Manche glauben, es sei so alt wie die Erde selbst. Seit Jahrhunderten setzt man es zu Heilzwecken ein oder um sich zu schützen. Neuerdings ist das Interesse an Steinen, Mineralien und anderen geologischen Materialien ja wieder modern, aber vieles davon ist für meinen Geschmack ein bisschen zu oberflächlich. Jeanette allerdings beschäftigt sich ernsthaft mit dem Okkulten und mit Mystik und allem, was dazugehört. Die Farbeinschlüsse darin nennt man ein  Phantom. Das bedeutet, dass dieser Kristall eine besonders starke  Wirkung hat.«
    Carol schaute durch den Quarz. Er hatte einen dunkelgrauen Wirbel im Innern, der aussah wie ein kleines Männchen.
    »Sie hat dir eine Nachricht geschickt«, sagte Chloe und reichte ihr einen kleinen Umschlag. Carol öffnete ihn und begann laut zu lesen:
    Liebe Carol,
    du bist eine ganz besondere junge Frau. Das wusste ich schon, als ich dich zum ersten Mal sah. Auch Chloe ist dieser Meinung. André hatte wirklich großes Glück, als er dich fand, und du solltest dir vor Augen halten, welche Ehre es für dich bedeutet, die Linie unserer Familie auf diese Weise fortführen zu können. Wir alle sind dir zu tiefstem Dank verpflichtet. Ich sende dir diesen Quarzstein, weil ich ihn beruhigend und tröstlich fand. In einer schwierigen, wahrhaft dunklen Zeit meines Lebens, in der ich so sehr auf Rache um jeden Preis versessen war, dass ich mir nicht vorstellen konnte, jemals wieder glücklich zu sein, habe ich ihn bei mir getragen. Ich weiß um die Macht des Kristalls. Darum überlasse ich ihn dir, damit er dir hilft, dieses neue Leben zur Welt zu

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