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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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bringen. Julien und ich hoffen, zur Geburt da zu sein.
    Alles Liebe, Jeanette
    Carol war zutiefst gerührt von den Zeilen dieser Frau, die sie noch nicht einmal kannte und die zudem noch eine Blutsaugerin war. Als sie aufsah, bemerkte sie, dass ihr die Tränen in den Augen standen.
    »Jeanette ist selbst etwas Besonderes«, erklärte Chloe. »Sie hat einen langen, steinigen Weg hinter sich. Manch einer würde ihn niemals beschreiten, geschweige denn überhaupt finden.«
    Carol seufzte. Mit einem Mal fühlte sie sich Chloe sehr verbunden. Was sie war, machte keinen großen Unterschied mehr. Vielleicht hatten sie ja mehr gemeinsam, als sie glaubte.
    »Chloe, was bist du? Und Karl und Gerlinde und André? Wenn Vampir nicht das richtige Wort dafür ist, was dann?«
    »Es gibt nicht für alles das rechte Wort.«
    »Du bist doch nicht tot, oder?«
    Chloe lachte. »Das sieht euch Sterblichen ähnlich, uns so zu verstehen. Der Tod bedeutet lediglich eine Veränderung der äußeren Gestalt. Was mit uns geschieht, ist eher eine Art Transformation.«
    »Das musst du mir näher erklären.«
    »Nun, würdest du die alchimistischen Schriften kennen - natürlich haben nur die wenigsten davon gehört, und kaum einer hat sie überhaupt je zu Gesicht bekommen -, würdest du das Wesen der Transformation vielleicht begreifen. Es handelt sich um einen magischen Prozess im eigentlichen Sinn. Nimm zum Beispiel deine Schwangerschaft! Der Samen und die Eizelle, zwei voneinander verschiedene Dinge, treffen aufeinander, und es entsteht etwas Drittes, von ihnen Verschiedenes, das weder das eine noch das andere ist, aber beides in sich vereint und beides verändert. Wenn ein Ding sich in etwas anderes verwandelt, weil es von einem Einfluss, der sich unserem Verständnis entzieht, durchdrungen wird - das ist eine Transformation. Nenne es meinetwegen Magie, Gott, das Leben. Ich glaube, es ist alles ein und dasselbe.«
    »Du kannst das Wort >Gott< aussprechen?«
    Abermals musste Chloe lachen. »Warum denn nicht? Hältst du uns denn tatsächlich für Ausgeburten der Hölle? Wir sind ganz einfach Wesen, die auf dieser Erde leben. Wir haben gewisse Kräfte, aber auch unsere Grenzen. Wir sind nicht anders als ihr Sterblichen, selbst wenn wir euch in vielem übertreffen. Auch wir haben unsere Stärken und Schwächen.«
    »André scheint keine Schwächen zu haben.«
    Chloe schüttelte den Kopf und nahm Carols Hand. »Oh doch, die hat er. Es verhält sich nur so, dass du nicht in der Lage bist, sie zu erkennen. Wir sind so verschieden von euch, auch wenn wir aussehen, als seien wir von einer Art, und uns auch weitgehend so verhalten. Man kann uns nicht verwechseln. Von euch aus mag es so aussehen, als gäbe es kaum Unterschiede, aber von uns aus gesehen, nun, manchmal können wir uns nur schwer an die Gemeinsamkeiten erinnern.«
    Carol dachte über das nach, was Chloe da sagte. »Ist es schmerzhaft?«
    »Was denn?«
    »Die Verwandlung. Diese Transformation.«
    »Ich nehme an, in gewisser Weise ist jede Veränderung irgendwie schmerzhaft. Wenn man in ein anderes Haus umzieht, muss man dasjenige, an das man sich gewöhnt hat, aufgeben und hinter sich lassen.  Womöglich lässt man etwas zurück, von dem man sich unter keinen  Umständen trennen möchte.«
    »Macht es dir nichts aus, Blut zu trinken?«
    »Nicht mehr als den meisten Sterblichen, wenn sie eine Kuh oder ein Schwein essen oder mitunter sogar einen Hund. Es soll sogar Fälle geben, in denen Sterbliche sich gegenseitig aufgefressen haben. Vielleicht macht es uns weniger aus, weil wir uns stets im Klaren darüber sind, was wir tun. Außerdem besteht für die meisten von uns die Wahl, ob sie töten wollen oder nicht. Selbstbeherrschung muss man sich zwar hart erarbeiten, aber auf lange Sicht ist es der beste Schutz. Außerdem macht es uns menschlicher.«
    »Menschlicher? Ich dachte, ihr seid menschlichen Wesen überlegen. Mir kommt es so vor, als würdet ihr, nun ja, André zumindest, auf uns herabsehen.«
    »Wir sind euch überlegen, so wie ihr Menschen anderen Tieren überlegen seid, weil ihr ein Bewusstsein habt und euren Verstand gebraucht. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir ein und dieselbe Erde mit euch teilen. Es genügt doch, dass Leute wie du wie Schlafwandler durchs Leben gehen und sich weigern, die Existenz, die Wesensbeschaffenheit anderer Geschöpfe anzuerkennen. Eine solche Gedankenlosigkeit könnte uns eines Tages alle

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