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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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dass sie weiterkam. Als sie die Brücke erreichte, überquerte sie sie beinahe im Laufschritt und behielt das Tempo bei, bis sie an die Autobahn kam. Dort kreuzten sich mehrere Fahrbahnen, und es dauerte eine Weile, bis sie den richtigen Zubringer fand mit einem Schild, auf dem stand: Paris, 250 kilometres. Kaum hielt sie ihren Daumen hoch, stoppte auch schon ein Wagen. In seinem Innern saß ein Paar mittleren Alters, Touristen. »Sprechen Sie Englisch?«
    »Englisch und nichts sonst«, erwiderte die stämmige Frau. »Wollen Sie nach Paris, in die Stadt des Frohsinns? Dann steigen sie ein. Wir fahren auch dahin.«
    Carol war so erleichtert, dass ihr beinahe die Tränen kamen.
    Die beiden, Judy und Bill Harris, waren Amerikaner und stammten aus Texas. Sie machten hier vier Wochen Urlaub und nahmen Carol den ganzen Weg bis in die Stadt mit.
    Sie dachte sich eine Geschichte aus, die sie ihnen auftischte, denn die Wahrheit schien zu bizarr, und sie wollte nicht, dass die beiden sie für verrückt hielten. Sie erzählte ihnen, sie reise allein, was natürlich eine Dummheit sei, und in Bordeaux sei sie überfallen worden, und jetzt müsse sie zurück nach Paris, um das Mädchen wiederzufinden, mit dem sie hergeflogen war, und sich das Geld für den Anruf nach Hause zu borgen. Ja, sie sei schwanger. Darauf erkundigten die beiden sich nach dem Vater.
    »Er ist tot. Ich bin allein.«
    Es klang alles so lächerlich, dass sie ihr glaubten. Sie luden sie zum Abendessen ein und gaben ihr fünfzig Dollar. Dafür war Carol mehr als dankbar. Sie umarmte die beiden, ließ sich ihre Adresse geben und versprach, ihnen das Geld zurückzuzahlen.
    Sie fand ein Telefon und meldete sofort ein Ferngespräch nach Philadelphia an.
    »Hallo.« Es war Phillips Stimme. Er klang erschöpft. Sie rief ihn einzig aus dem Grund an, weil er mit Rob zusammenlebte und sie nicht wusste, an wen sie sich sonst um Hilfe wenden sollte.
    »Phillip, hier ist Carol! Ich bin in Frankreich. Das ist ein Notfall, sonst würde ich dich nicht anrufen. Ich muss unbedingt Rob sprechen.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Ich nehme an, du hast meinen Brief nicht bekommen. Rob ist vor vier Monaten gestorben. Carol, ich bin nicht in der Verfassung, irgendjemandem zu helfen. Was auch immer es ist, Baby, du musst zusehen, dass du allein damit fertig wirst.« Damit legte er auf.
    Carol war verzweifelt. Robs Tod war ein Schock für sie. Aber sie hatte jetzt keine Zeit, um ihn zu trauern. Ihr dringlichstes Ziel war, genug Geld aufzutreiben, um zurück in die Staaten zu gelangen. Im Geiste ging sie die Liste ihrer Freunde durch und musste feststellen, dass sie in den letzten anderthalb Jahren den Kontakt zu ihnen verloren hatte. Sie war sich nicht sicher, ob sie nun bei ihnen Hilfe finden würde.
    Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis sie die Auskunft in Philadelphia erreichte, aber schließlich bekam sie die Nummer einer Schauspielerin, die am selben Theater gearbeitet hatte wie sie, eine Frau namens Mary Skiving. Sie hatte sie stets als Freundin betrachtet, bis sie herausfand, dass Rob mit ihr ins Bett ging.
    Mary war erstaunt, von Carol zu hören, wurde allerdings etwas kühl, als diese sie darum bat, ihr fünfhundert Dollar zu leihen. »Bitte, Mary, um Himmels willen, hilf mir. Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich werde dir alles erklären, sobald ich da bin, und es dir sofort zurückzahlen, versprochen! Ich bin in einer absoluten Notlage. Die US-Botschaft hat sonntags geschlossen, sonst würde ich mich dahin wenden. Ich habe kein Geld und auch keine Papiere mehr. Wenn ich nicht noch heute aus Frankreich herauskomme, wird mir etwas Schreckliches zustoßen. Ich weiß, ich klinge paranoid, aber das bin ich nicht. Hilf mir einfach, bitte. Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte!«
    Zu guter Letzt willigte Mary widerwillig ein, ihr gleich am nächsten  Morgen, wenn die Bank aufmachte, das Geld telegrafisch anzuweisen.
    Carol saß die ganze Nacht im Telegrafenbüro an der Place de la  Bourse. Da sie keinerlei Ausweispapiere bei sich hatte, dauerte es  länger, bis das Geld freigegeben wurde. Um zwei Uhr nachmittags  hatte sie es endlich bar in der Hand.
    Carol nahm ein Taxi zum Flughafen Charles-de-Gaulle und buchte den nächsten verfügbaren Flug zum Kennedy-Airport. Dieser ging allerdings erst um 22.30 Uhr, darum ließ sie sich auf die Stand-by-Liste für einen früheren Flug setzen. Vierzig Dollar

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