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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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bemerkt.«
    »Chloe hat es besser unter Kontrolle als wir anderen. Sie ist schon länger dabei. Aber nein, ich werde nicht verrückt vor Hunger. Es ist nicht viel anders, als äße man ganz normal.«
    »Ich war noch nie so ausgehungert, dass ich daran gedacht hätte, jemanden umzubringen«, sagte Carol. 
    Sie starrten einander an.
    »Ich habe noch nie jemanden umgebracht«, sagte Gerlinde.
    »Aber du ernährst dich von menschlichen Wesen.«
    »Hör zu! Würde man dich im Wald aussetzen, müsstest du dir etwas fangen und es töten, um zu überleben, habe ich Recht? Und du würdest dir keine großartigen Gedanken darüber machen, weil es ja zu einer anderen Art gehört - die in der Nahrungskette unter dir steht. Aber zwischen dir und dem, was du isst, gibt es so viele Zwischenstationen, dass du noch nicht einmal mehr merkst, dass du ein Stück Fleisch vor dir hast, wenn du einen Hamburger isst. Wir haben kein so reichhaltiges Ersatzangebot. Na ja, etwas schon, tiefgefrorenes Blut, falls es mal sein muss. Aber ich sage dir, es schmeckt um einiges besser, wenn es direkt aus der guten alten Vene kommt. Es ist ungefähr so wie der Unterschied zwischen frischem Spinat aus dem Garten, nach dem ich früher einfach verrückt war, und dem Zeug aus der Dose. Ihr seid doch so sehr daran gewöhnt, dass ihr gar nicht mehr merkt, dass es anders schmeckt. Wir dagegen schon.«
    »Agh!«, machte Carol und streckte ihr die Zunge heraus. »Rede bitte nicht mehr von Spinat, wenn ich dabei bin. Spinat und Leber kann ich beim besten Willen nicht mehr sehen.«
    Sie gelangten in die Stadt, parkten und gingen in ein Programmkino an der eleganten Place Gambatta. Dort lief Casablanca, ein Film, den sie zwar beide schon gesehen hatten, den sie aber auch liebten.
    »Magst du Popcorn?«
    »Nein danke! Vielleicht etwas zu trinken, aber dann muss ich wahrscheinlich wieder.«
    Gerlinde holte ihr ein Perrier, und sie bekamen Plätze in der Mitte, auf halbem Weg nach unten. Die beiden Frauen zogen einige Aufmerksamkeit auf sich.
    Gerlinde war, was auch sonst, auf eine faszinierende Art attraktiv, und die Blicke vieler Männer, aber auch Frauen, folgten ihr. Und Carol sah, obwohl sie schwanger war, ebenfalls gut aus. Sie trug neue Kleider, die André ihr besorgt hatte - erneut einen kurzen Rock und ein Oberteil in Übergröße, das ihren Bauch kaschierte.
    Als Sam für Rick As Time Goes By spielte, beugte Carol sich zu Gerlinde. »Ich hasse es, dir das anzutun, aber wenn ich nicht gleich aufs Klo komme, lassen sie uns nachher den Boden aufwischen.«
    »Weißt du, wo es ist?«
    »Hinten am Süßwarenstand.«
    »Ja. Na, geh schon.«
    Ohne dich?, hätte Carol beinahe gefragt. Doch irgendetwas ließ sie still bleiben. Sie schob sich durch die Reihe, machte, dass sie nach hinten kam, und schaffte es gerade noch rechtzeitig bis zur Tür mit der Aufschrift »femmes«. Zum ersten Mal war sie völlig ohne Aufsicht. Als sie wieder aus der Toilette kam, wandte sie sich, der Eingebung des Augenblicks folgend, um und rannte aus dem Kino.
    Das ist verrückt, dachte sie. Gerlinde wird mich sicherlich finden. Außerdem komme ich mir ziemlich schäbig vor, ihr Vertrauen so zu missbrauchen.
    Aber Carol kehrte nicht um. Sie war sich zwar nicht ganz sicher, wo in der Stadt sie sich gerade befand, aber sie ging einfach weiter, so schnell sie konnte.
    Ein paar Blocks weiter blieb sie an einer Kreuzung stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Die Gegend kam ihr bekannt vor. Sie blickte sich nach allen vier Seiten um. Zur Linken, vielleicht zwei Straßen weiter, sah sie die Altstadt-Promenade, die André so gerne entlangflanierte. Ohne zu zögern, rannte sie in die entgegengesetzte Richtung. Einmal fragte sie nach dem Weg. Vorher atmete sie tief durch, um sich zu beruhigen, damit sie einen Laden betreten konnte, aber der Verkäufer verstand sie nicht. Also riss sie sich zusammen und fragte einen Polizisten.
    »Wie komme ich am besten nach Paris?«
    »Paris?«
    »Autobahn. Auto. Brrr.« Sie ahmte den Laut nach und tat so, als umfasse sie ein Lenkrad.
    »Ah, la route de Paris?«
    Er deutete in die Richtung, in die sie ohnehin bereits unterwegs war, und sagte ein paar Sätze. Alles, was sie mitbekam, war »Pont de Pierre«.
    »Wie lang? Un, deux, trois?«
    Er nickte verstehend. »Cinq rues.« Er hielt fünf Finger in die Höhe und zählte sie ab, um sicherzugehen, dass sie verstand.
    Carol dankte ihm überschwänglich und machte dann,

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