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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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Wir müssen uns und das Kind schützen. Aber auch wenn sie zustimmen würden, würde ich es nicht tun! - Ich kann nicht«, fügte er hinzu.
    »Wie kannst du so herzlos sein? Kannst du dir überhaupt selber noch in die Augen blicken?«
    Er sagte nichts darauf, sondern zog lediglich ein dickes Bündel Geldscheine aus seiner Brieftasche und stopfte es ihr ins Hemd.  Danach reichte er ihr eine kurze Jacke. »Zieh das an.« Sie machte  keinerlei Anstalten dazu, also stopfte er ihre Arme in die Ärmel.  »Karl kümmert sich bereits um deinen Koffer. Darin befindet sich auch  dein Pass. Ich gebe dir jetzt eine kleine Spritze, damit du ruhig bleibst.«
    Entsetzt sah sie ihn an. »Du willst mir eine Überdosis verpassen, damit du mir das Baby wegnehmen kannst!«
    »Es ist bloß ein simples Beruhigungsmittel, damit du dich entspannst.«
    Es gab ein kurzes Gerangel, dann zwang er sie mit dem Gesicht nach unten auf die Sitzbank und hielt sie fest, während er ihr das Valium in eine Vene an ihrem Hals injizierte. Es wirkte fast augenblicklich. Ihr Atem ging schwer und sie redete wirr. Er drehte ihren Kopf zu sich und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Und was die Droge nicht zu leisten vermochte, bewirkte André. Er löschte einen Teil ihres Gedächtnisses einfach aus.
    Sie brachten sie auf die Fähre, wobei die Frau mit dem roten Haar den Mann, der die Tickets kontrollierte, bezirzte und auf Französisch mit ihm flirtete. Carol wurde in eine Ecke gesetzt. Sie sah und hörte alles, was um sie herum vorging, konnte sich aber weder rühren noch sprechen. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie weinte lautlos, hatte jedoch keine Ahnung, weshalb.
    »Viel Glück, Kleines«, sagte die Frau und fing beinahe selbst an zu weinen. »Ich werde mich gut um ihn kümmern, versprochen! Wir alle werden das!«
    Sich kümmern? Um wen?, fragte sich Carol.
    Die Frau und ein Mann gingen, aber der Mann mit den grauen Augen blieb, bis das Signal zur Abfahrt kam. Er stand vor ihr und blickte sie ein letztes Mal an, fast als wolle er gar nicht gehen, als wolle er noch etwas sagen oder tun. Doch dann war auch er verschwunden.
    Als die Fähre in Portsmouth anlegte, begann die Wirkung der Droge nachzulassen. Völlig verwirrt verließ Carol das Schiff und reichte dem Zollbeamten ihren Pass. Ein rotgesichtiger Mann fragte: »Aus welchem Grund besuchen Sie England?«
    »Ich ... ich habe keinen Grund«, antwortete sie. Sie hatte keine Ahnung, was sie hier machte oder weshalb sie hierher gekommen war.
    »Heißt das, Sie machen hier Urlaub?«
    »Ja«, erwiderte sie automatisch.
    Nachdem sie ihren Pass zurückerhalten hatte, suchte sie sich die nächste Bank und ließ sich darauf nieder, um nachzudenken. Sie fühlte sich, als habe sie einen Verkehrsunfall gehabt und stehe nun unter Schock. Sie war wie betäubt und hatte nicht die geringste Ahnung, warum. Sie versuchte sich zu beruhigen und einen klaren Kopf zu fassen, damit sie darüber nachdenken konnte, wie sie hierher gelangt war.
    Wie es aussah, war sie gerade aus Frankreich gekommen und hatte den Zoll passiert. Aber sie konnte sich nicht daran erinnern, je in Frankreich gewesen zu sein, und dennoch war sie von Bord eines Schiffes gegangen, das aus Le Havre kam. Ihr Ticket bestätigte dies. Sie blickte an sich hinab. Sie trug merkwürdige Sachen, alte Sommerschuhe, eine Jagdjacke und darunter mehrere Lagen Kleider, wie sie sie niemals besessen hatte, soweit sie sich erinnerte. Das muss ein Traum sein, dachte sie. Was sonst?
    Sie hatte Schmerzen am ganzen Körper, vor allem der Bauch tat ihr weh, und er sah auch ein bisschen geschwollen aus. Sie war erschöpft, so als habe sie eine gewaltige physische Anstrengung hinter sich, einen Marathonlauf zum Beispiel. Plötzlich bekam sie es mit der Angst zu tun. Nichts ergab irgendeinen Sinn. Es war, als hätte sie sich zu Hause in Philadelphia schlafen gelegt und wäre an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit wieder aufgewacht. Wie konnte so etwas passieren?
    Panik machte sich in ihr breit. Sie öffnete ihren Koffer und durchwühlte ihn auf der Suche nach Hinweisen. Sie erkannte jedes einzelne Kleidungsstück wieder, jeden Toilettenartikel. Unter der Jacke fand sie in ihrer Hemdentasche eine hohe Summe Bargeld in US-Dollars. Sie zählte nicht nach, aber schon ein flüchtiges Durchblättern zeigte ihr, dass es sich um weit mehr Geld handelte, als sie je in ihrem Leben besessen hatte. Sie sah in ihrer

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