Kind der Prophezeiung
Kerker anketten muß, damit ich niemanden verletze, oder ich muß in die Berge fliehen und bei den Trollen leben.«
»Unsinn«, beharrte Garion.
»Erzähl mir, was du neulich gesehen hast«, bat Barak. »Wie habe ich ausgesehen, als ich mich in ein wildes Tier verwandelt habe?«
»Ich habe von dem Schlag auf den Kopf lediglich Sterne gesehen«, wiederholte Garion und bemühte sich, es ehrlich klingen zu lassen.
»Ich möchte einfach nur wissen, in welche Bestie ich mich verwandele«, sagte Barak, die Stimme heiser vor Selbstmitleid. »Werde ich ein Wolf, ein Bär oder ein Monster, für das es nicht einmal einen Namen gibt?«
»Kannst du dich gar nicht mehr daran erinnern, was passiert ist?« fragte Garion vorsichtig und versuchte, das seltsame Doppelbild von Barak und dem Bären aus seinem Gedächtnis zu vertreiben.
»An nichts«, antwortete Barak. »Ich hörte dich rufen und dann erinnere ich mich nur noch an den toten Keiler vor meinen Füßen und wie du blutüberströmt unter dem Baum lagst. Aber ich konnte das Tier in mir fühlen. Ich konnte es sogar riechen.«
»Was du gerochen hast, war der Keiler«, sagte Garion, »und es ist nichts weiter passiert. Du hast nur vor Aufregung den Kopf verloren.«
»Raserei, meinst du?« fragte Barak und sah hoffnungsvoll auf. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Garion, ich bin früher schon rasend gewesen. Das ist ein völlig anderes Gefühl. Das hier war nicht dasselbe.« Er seufzte.
»Du verwandelst dich nicht in eine Bestie«, sagte Garion hartnäckig.
»Ich weiß, was ich weiß«, sagte Barak stur.
Dann trat Lady Merel, Baraks Frau, durch die noch immer offenstehende Tür in den Raum. »Ich sehe, daß mein Herr seinen Verstand langsam zurückgewinnt«, sagte sie.
»Laß mich in Ruhe, Merel«, sagte Barak. »Ich bin nicht in der Stimmung für deine Spielchen.«
»Spielchen?« fragte sie unschuldig. »Ich sorge mich lediglich um meine Pflichten. Wenn mein Herr sich nicht wohl fühlt, bin ich dazu verpflichtet, mich um ihn zu kümmern. Das ist das Recht einer Ehefrau, nicht wahr?«
»Hör auf, dir so viele Gedanken um Rechte und Pflichten zu machen, Merel«, sagte Barak. »Geh einfach und laß mich in Ruhe.«
»Mein Herr war sehr beharrlich in bezug auf gewisse Rechte und Pflichten in der Nacht seiner Rückkehr nach Val Alorn«, sagt sie. »Nicht einmal die verschlossene Tür meines Schlafgemachs konnte ihn zurückhalten.«
»Schon gut«, sagte Barak errötend. »Es tut mir leid. Ich hatte gehofft, die Dinge zwischen uns hätten sich vielleicht geändert. Ich habe mich geirrt. Ich werde dich nicht wieder belästigen.«
»Belästigen, mein Herr?« fragte sie. »Eine Pflicht ist keine Belästigung. Eine gute Ehefrau ist dazu verpflichtet, sich zu fügen, wann immer ihr Gatte es verlangt, gleich, wie betrunken oder brutal er sein mag, wenn er an ihr Bett kommt. Niemand wird mich je der Nachlässigkeit in dieser Hinsicht beschuldigen können.«
»Das macht dir auch noch Spaß, nicht wahr?« warf Barak ihr vor. »Was macht mir Spaß, mein Herr?« Ihre Stimme war hell, aber es lag eine gewisse Schärfe darin.
»Was willst du eigentlich, Merel?« fragte Barak unumwunden.
»Ich möchte meinem Herrn in seiner Krankheit beistehen«, sagte sie. »Ich möchte ihn pflegen und den Fortschritt seiner Krankheit beobachten – jedes einzelne Symptom.«
»Haßt du mich denn so sehr?« fragte Barak voller Verachtung. »Gib acht, Merel. Vielleicht setze ich es mir sonst in den Kopf, daß du bei mir bleiben sollst. Wie würde dir das gefallen? Wie würde es dir gefallen, mit einer rasenden Bestie in diesem Raum eingesperrt zu sein?«
»Wenn du nicht mehr zu bändigen bist, Herr, kann ich dich immer noch an die Wand ketten lassen«, meinte sie und erwiderte seinen wütenden Blick mit kalter Gleichgültigkeit.
»Barak«, sagte Garion unbehaglich, »ich muß mit dir reden.«
»Jetzt nicht, Garion«, fuhr Barak ihn an.
»Es ist wichtig. Im Palast ist ein Spion.«
»Ein Spion?«
»Ein Mann in einem grünen Umhang«, sagte Garion. »Ich habe ihn schon ein paarmal gesehen.«
»Viele Männer tragen grüne Umhänge«, sagte Lady Merel.
»Halt dich da raus, Merel«, fauchte Barak. Er wandte sich an Garion. »Wieso glaubst du, daß er ein Spion ist?«
»Ich habe ihn heute morgen wieder gesehen«, antwortete Garion, »und ich bin ihm gefolgt. Er schlich einen Gang entlang, den anscheinend niemand benutzt. Er verläuft oberhalb der Halle, in der sich die Könige und Meister Wolf
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