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Kind der Prophezeiung

Kind der Prophezeiung

Titel: Kind der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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hatte es selbst gebaut – er war Steinmetz. Ich habe sie ab und zu besucht, wenn ich in der Gegend war.« Die Stimme des alten Mannes brummte weiter und beschrieb das Dorf, das Haus und die beiden, die dort lebten. Garion hörte zu und merkte nicht einmal, daß er einschlief. Es muß sehr spät gewesen sein, fast schon gegen Morgen. Im Halbschlaf merkte der Junge, wie er vom Wagen gehoben und die Treppe hinaufgetragen wurde. Der alte Mann war überraschend stark. Tante Pol war da – er wußte es, auch ohne die Augen zu öffnen. Um sie war ein besonderer Duft, den er in einem dunklen Raum hätte bemerken können.
    »Deck ihn einfach zu«, sagte Meister Wolf leise zu Tante Pol.
    »Weck ihn jetzt lieber nicht auf.«
    »Was ist geschehen?« fragte Tante Pol. Ihre Stimme war ebenso leise wie die des alten Mannes.
    »In der Stadt war ein Murgo – bei deinem Gewürzhändler. Er hat Fragen gestellt und wollte dem Jungen einen Angarak-Pfennig schenken.«
    »In Obergralt? Bist du sicher, daß es nur ein Murgo war?«
    »Unmöglich zu sagen. Nicht einmal ich kann mit Sicherheit zwischen Murgos und Grolims unterscheiden.«
    »Was ist mit der Münze geschehen?«
    »Ich konnte sie schnell genug an mich bringen. Ich habe dem Jungen statt dessen einen sendarischen Pfennig gegeben. Wenn unser Murgo ein Grolim war, werden wir ihn dazu bringen, mir zu folgen. Ich bin sicher, daß ich ihn einige Monate gut unterhalten kann.«
    »Dann gehst du also?« Tante Pols Stimme klang traurig.
    »Es ist Zeit«, sagte Wolf. »Im Augenblick ist der Junge hier sicher, und ich muß fort. Es sind einige Dinge im Gange, auf die ich achtgeben muß. Wenn Murgos an abgelegenen Orten auftauchen, fange ich an, mir Sorgen zu machen. Wir tragen eine große Verantwortung. Eine große Sorge ist uns auferlegt, und wir dürfen uns nicht erlauben, sorglos zu werden.«
    »Wirst du lange fortbleiben?« fragte Tante Pol.
    »Einige Jahre, denke ich. Es gibt viele Dinge, in die ich hineinsehen und viele Leute, die ich treffen muß.«
    »Ich werde dich vermissen«, sagte Tante Pol leise.
    Er lachte. »Gefühlsduselei, Pol?« meinte er trocken. »Das liegt dir nicht.«
    »Du weißt, was ich meine. Ich bin nicht die Richtige für die Aufgabe, die du und die anderen mir auferlegt haben. Was weiß ich von der Erziehung kleiner Jungen?«
    »Du machst es schon recht«, sagte Wolf. »Halt den Jungen dicht bei dir, und laß dich nicht von seinem Wesen verrückt machen. Sei vorsichtig, er lügt wie ein Weltmeister.«
    »Garion?« Ihre Stimme klang schockiert.
    »Er hat den Murgo so gut angelogen, daß ich selbst beeindruckt war.«
    »Garion?«
    »Er hat auch angefangen, Fragen nach seinen Eltern zu stellen«, sagte Wolf. »Wieviel hast du ihm erzählt?«
    »Sehr wenig. Nur daß sie tot sind.«
    »Wir wollen es im Moment dabei belassen. Es hat keinen Sinn, ihm Dinge zu erzählen, für die er noch nicht alt genug ist.«
    Ihre Stimmen ertönten weiter, aber Garion sank wieder in Schlaf, und er war fast sicher, daß alles nur ein Traum war. Aber als er am nächsten Morgen erwachte, war Meister Wolf fort.

4
    D ie Jahreszeiten wechselten, wie es Jahreszeiten so an sich haben. Der Sommer reifte in den Herbst, der strahlende Herbst verging in den Winter, der Winter wich unwillig dem drängenden Frühling, und der Frühling erblühte wieder in den Sommer. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten vergingen auch die Jahre, und Garion wurde unmerklich älter.
    So wie er wuchs, wuchsen auch die anderen Kinder – alle, außer dem armen Doroon, der dazu verurteilt schien, sein ganzes Leben lang klein und mager zu bleiben. Rundorig sproß wie ein junger Baum und war bald fast so groß wie die anderen Männer auf der Farm. Zubrette wurde zwar nicht so groß, aber sie entwickelte sich auf andere Weise, die die Jungen interessant zu finden begannen.
    In dem Frühherbst, kurz vor Garions vierzehntem Geburtstag, war er dicht daran, seinen Lebensweg zu beenden. Als Reaktion auf den ursprünglichen Drang, den alle Kinder haben – wenn ein Teich und eine ausreichende Menge an Holz vorhanden ist –, hatten sie in jenem Sommer ein Floß gebaut. Das Floß war weder sehr groß noch besonders gut gebaut. Es hatte eine fatale Neigung, an einem Ende unterzugehen, wenn das Gewicht darauf nicht ganz gleichmäßig verteilt war, und die alarmierende Gewohnheit, in unerwarteten Momenten auseinanderzubrechen.
    Natürlich war es Garion, der sich an jenem schönen Herbsttag auf dem Floß befand – um anzugeben –, als

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