Kind der Prophezeiung
schreckliche Kälte breitete sich in Garions Magen aus. Die Gewißheit, daß ihre beiläufigen Worte der nackten Wahrheit entsprachen, drückte ihn zu Boden. Sie hatte nicht einmal versucht, den Schlag zu mildern. Die Gleichgültigkeit, mit der sie sein Leben zerstört hatte, schmerzte fast mehr als die Zerstörung selbst.
»Ebenfalls willkommen, Garion«, sagte der König. »Dafür, daß du noch so jung bist, reist du in sehr nobler Gesellschaft.«
»Ich wußte nicht, wer sie waren, Eure Majestät«, sagte Garion niedergeschlagen. »Niemand sagt mir etwas.«
Der König lachte in nachsichtiger Belustigung. »Wenn du älter wirst, Garion«, sagte er, »wirst du wahrscheinlich feststellen, daß in diesen Tagen eine solche Unschuld die angenehmste Art zu leben ist. Mir sind kürzlich Dinge erzählt worden, die ich lieber nicht wüßte.«
»Können wir jetzt ungestört sprechen, Fulrach?« fragte Meister Wolf, dessen Stimme noch immer verärgert klang.
»Bald, mein alter Freund«, antwortete der König. »Ich habe angeordnet, daß euch zu Ehren ein Bankett vorbereitet wird. Wir wollen alle hinübergehen und speisen. Layla und die Kinder warten auf euch. Später ist noch Zeit, gewisse Dinge zu besprechen.« Und damit erhob er sich und stieg von der Empore herab.
Garion, der in sein privates Elend versunken war, gesellte sich neben Silk. »Prinz Kheldar?« fragte er, in einem verzweifelten Bemühen, sich von der schockierenden Wirklichkeit abzulenken, die ihm gerade eröffnet worden war.
»Ein Zufall der Geburt, Garion«, sagte Silk achselzuckend. »Etwas, das sich meiner Kontrolle entzog. Glücklicherweise bin ich nur der Neffe des Königs von Drasnien und damit weit hinten in der Erbfolge. Ich laufe nicht unmittelbar Gefahr, den Thron besteigen zu müssen.«
»Und Barak ist…?«
»Der Vetter König Anhegs von Cherek«, antwortete Silk. Er sah über die Schulter zurück. »Wie lautet dein genauer Rang, Barak?« fragte er.
»Graf von Trellheim«, brummte Barak. »Warum fragst du?«
»Der Bursche hier war neugierig«, sagte Silk.
»Es ist sowieso alles Unsinn«, sagte Barak, »aber als Anheg König wurde, mußte jemand Clanführer werden. In Cherek kann man nicht beides sein. Man sagt, es bringe Unglück – vor allem die Häuptlinge der anderen Clans behaupten das.«
»Ich kann verstehen, warum sie so fühlen«, lachte Silk.
»Es ist jedenfalls ein leerer Titel«, stellte Barak fest.
»In Cherek hat es seit über dreitausend Jahren keinen Clan-Krieg mehr gegeben. Ich lasse meinen jüngsten Bruder an meiner Statt handeln. Er ist ein einfacher Bursche und leicht zu amüsieren. Außerdem ärgert es meine Frau.«
»Du bist verheiratet?« fragte Garion verblüfft.
»Wenn du es so nennen willst«, sagte Barak mürrisch.
Silk berührte Garion warnend und deutete damit an, daß dies ein heikles Thema war.
»Warum habt ihr uns nichts gesagt?« fragte Garion anklagend. »Von euren Titeln, meine ich.«
»Hätte es einen Unterschied gemacht?« fragte Silk.
»Nun, nein«, gab Garion zu, »aber…« Er hielt inne, unfähig, seine Gefühle diesbezüglich in Worte zu kleiden. »Ich verstehe überhaupt nichts von alldem«, schloß er etwas lahm.
»Es wird mit der Zeit schon klar werden«, versicherte ihm Silk, als sie den Bankettsaal betraten.
Der Saal war fast so groß wie der Thronsaal. Lange Tische, die mit feinen Leinentüchern bedeckt waren, standen dort, und auch hier waren wieder überall Kerzen. Hinter jedem Stuhl stand ein Diener, und alles wurde überwacht von einer molligen, kleinen Frau mit strahlendem Gesicht und einer kleinen Krone, die unsicher auf ihrem Kopf saß. Als sie eintraten, kam sie rasch nach vorn.
»Liebe Pol«, sagte sie, »du siehst einfach wundervoll aus.« Sie umarmte Tante Pol herzlich, und die beiden begannen, sich angeregt miteinander zu unterhalten.
»Königin Layla«, erklärte Silk. »Man nennt sie die Mutter von Sendarien. Die vier Kinder dort drüben sind ihre. Sie hat noch vier oder fünf andere – älter und wahrscheinlich unterwegs in Staatsgeschäften, da Fulrach darauf besteht, daß sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Es ist ein ständiger Scherz unter den anderen Königen, daß Königin Layla schwanger ist, seit sie vierzehn war, aber das liegt vielleicht auch daran, daß man von ihnen erwartet, bei jeder neuen Geburt königliche Geschenke zu schicken. Sie ist aber eine gute Frau, und sie hält König Fulrach davon ab, allzu viele Fehler zu machen.«
»Sie kennt Tante
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