Kind der Prophezeiung
Augenblick, bis er vertraute Stimmen unterscheiden konnte.
»Was soll denn all dieser Unsinn nun, Fulrach?« sagte Meister Wolf gerade.
»Verurteile mich nicht vorschnell, Uralter«, sagte der König beschwichtigend. »Es sind Dinge geschehen, die du vielleicht noch nicht erfahren hast.«
»Du weißt doch, daß ich alles erfahre, was geschieht«, sagte Wolf.
»Wußtest du, daß wir wehrlos sind, falls der Verfluchte erwacht? Das, was ihn band, ist gestohlen worden – vom Thron des Rivanischen Königs!«
»Tatsächlich habe ich die Spur des Diebs verfolgt, als dein ehrenwerter Hauptmann Brendig mich in meiner Suche unterbrach.«
»Es tut mir leid«, sagte Fulrach, »aber du wärst sowieso nicht viel weiter gekommen. Alle Könige von Alorn suchen dich seit drei Monaten. Dein Bild, von den besten Künstlern gezeichnet, ist in der Hand jedes Botschafters, Agenten und Beamten der fünf Königreiche des Nordens. Tatsächlich bist du verfolgt worden, seit du Darin verlassen hast.«
»Fulrach, ich habe zu tun. Sag den alornischen Königen, sie sollen mich in Ruhe lassen. Warum interessieren sie sich plötzlich so für meine Unternehmungen?«
»Sie wollen sich mit dir beraten«, sagte der König. »Die Alorner bereiten sich auf den Krieg vor, und selbst mein armes Sendarien wird in aller Stille mobilisiert. Wenn der Verfluchte jetzt erwacht, sind wir alle zum Untergang verurteilt. Die Macht, die gestohlen wurde, kann sehr gut dazu benutzt werden, ihn aufzuwecken, und sein erster Schritt wird sein, den Westen anzugreifen – du weißt das, Belgarath. Und du weißt auch, daß bis zur Rückkehr des Rivanischen Königs der Westen keine echte Verteidigungsmöglichkeit hat.«
Garion blinzelte und fuhr heftig zusammen; dann versuchte er, die plötzliche Bewegung zu vertuschen, indem er sich bückte, um einige kleinere Einzelheiten des Wandbehangs zu betrachten. Er sagte sich, daß er sich verhört haben mußte. Der Name, den König Fulrach ausgesprochen hatte, konnte nicht wirklich ›Belgarath‹ gelautet haben. Belgarath war nur eine Sagengestalt, ein Mythos.
»Richte den alornischen Königen aus, daß ich den Dieb verfolge«, sagte Meister Wolf. »Ich habe jetzt keine Zeit für Ratsversammlungen. Wenn sie mich in Ruhe lassen, sollte ich ihn einholen können, bevor er irgendein Unheil mit dem Ding, das er gestohlen hat, anrichten kann.«
»Versuche das Schicksal nicht, Fulrach«, riet Tante Pol. »Deine Einmischung kostet uns Zeit, die wir uns nicht leisten können. Sonst werde ich allmählich ärgerlich auf dich.«
Die Stimme des Königs war fest, als er antwortete: »Ich kenne deine Macht, Polgara«, sagte er, und wieder fuhr Garion zusammen. »Aber ich habe keine Wahl. Ich bin durch mein Wort daran gebunden, euch alle nach Val Alorn vor die Könige von Alorn zu bringen, und ein König kann nicht sein Wort gegenüber anderen Königen brechen.«
In dem anderen Raum trat eine lange Still ein, während Garions Gedanken sich in einem Dutzend Möglichkeiten überschlugen.
»Du bist kein schlechter Mann, Fulrach«, sagte Meister Wolf. »Vielleicht nicht ganz so klug, wie ich es mir wünschte, aber nichtsdestoweniger ein guter Mann. Ich werde meine Hand nicht gegen dich erheben – genausowenig wie meine Tochter.«
»Sprich nur für dich selbst, Alter Wolf«, sagte Tante Pol grimmig.
»Nein, Polgara«, sagte er. »Wenn wir nach Val Alorn gehen müssen, dann sollten wir so schnell wie möglich gehen. Je eher wir den Alornern die Dinge erklären, desto eher werden sie aufhören, sich einzumischen.«
»Ich glaube, das Alter nagt an deinem Hirn, Vater«, sagte Tante Pol. »Wir haben keine Zeit für diesen Ausflug nach Val Alorn. Fulrach kann es den anderen Königen erklären.«
»Das hätte keinen Zweck, Polgara«, sagte der König bedauernd. »Wie dein Vater so klar bemerkt hat, werde ich nicht für sehr klug gehalten. Die alornischen Könige würden nicht auf mich hören. Wenn ihr jetzt geht, werden sie jemanden wie Brendig ausschicken, der euch wieder festnimmt.«
»Dann wird sich dieser unglückliche Mann plötzlich für den Rest seiner Tage als Kröte oder Radieschen wiederfinden«, sagte Tante Pol unheilvoll.
»Genug davon, Pol«, sagte Meister Wolf. »Ist ein Schiff bereit, Fulrach?«
»Es liegt am Nordkai, Belgarath«, antwortete der König. »Ein cherekisches Schiff, das König Anheg geschickt hat.«
»Sehr schön«, sagte Meister Wolf. »Morgen fahren wir nach Cherek. Es scheint, daß ich einigen
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