Kind der Prophezeiung
»Unsere Jäger werden selten ernsthaft verletzt.«
»›Selten‹ hat einen unangenehmen Beigeschmack von ›manchmal doch‹, Barak«, sagte Silk und befingerte ein Kettenhemd, das an einem Haken neben der Tür hing.
»Welcher Sport ohne ein gewisses Risiko macht schon Spaß«, meinte Barak achselzuckend und wog einen der Spieße in der Hand.
»Hast du jemals daran gedacht, statt dessen zu würfeln?«, fragte Silk.
»Nicht mit deinen Würfeln, mein Freund«, lachte Barak.
Sie zogen die Kettenhemden über, während Torviks Treiber einige Armvoll Spieße zu den Schlitten hinaustrugen, die im Hof warteten.
Garion empfand das Kettenhemd als Last. Es war mehr als nur ein wenig unbequem. Die Stahlringe drückten trotz seiner dicken Kleidung in die Haut, und wenn er seine Haltung änderte, um den Druck zu mildern, drückten ihn gleich ein halbes Dutzend an anderen Stellen. Die Luft war schneidend als sie auf die Schlitten stiegen, und die wie üblich bereitliegenden Pelzmäntel schienen die Kälte kaum abzuhalten.
Sie fuhren durch die schmalen, winkeligen Straßen von Val Alorn auf das Westtor zu, das auf der dem Hafen gegenüber liegenden Seite der Stadt lag. Der Atem der Pferde dampfte während der Fahrt in der eisigen Luft.
Als sie ein baufälliges Haus passierten, trat plötzlich die zerlumpte, blinde alte Frau vom Tempel aus einer Tür. »Heil, Lord Barak«, krächzte sie, »Euer Verhängnis ist nahe. Ihr sollt es schmecken, noch ehe die Sonne im Meer versinkt.«
Wortlos erhob sich Barak in dem Schlitten, nahm einen Spieß und schleuderte ihn mit tödlicher Genauigkeit auf die alte Frau. Mit überraschender Geschwindigkeit schwang die Hexe ihren Stock und wehrte den Speer ab. »Es wird Euch nichts nützen, wenn Ihr die alte Martje töten wollt.« Sie lachte verächtlich. »Euer Speer wird sie nicht treffen und auch nicht Euer Schwert. Geht, Barak. Euer Verhängnis erwartet Euch.« Dann wandte sie sich dem Schlitten zu, in dem Garion neben dem verblüfften Durnik saß. »Heil Euch, Herr der Herren«, sang sie. »Ihr werdet an diesem Tage in großer Gefahr sein, aber Ihr werdet sie überwinden. Und diese Gefahr wird es sein, die das Zeichen der Bestie enthüllt, die das Verhängnis Eures Freundes Barak ist.« Und darin verbeugte sie sich und humpelte davon, ehe Barak noch einen weiteren Speer schleudern konnte.
»Was sollte das, Garion?« fragte Durnik, in dessen Augen immer noch Überraschung stand. »Laut Barak ist sie eine verrückte, blinde, alte Frau«, sagte Garion. »Sie hielt uns an, als wir in Val Alorn ankamen und ihr anderen schon vorbei wart.«
»Was soll das ganze Gerede von Verhängnissen?« fragte Durnik schaudernd.
»Ich weiß nicht«, antwortete Garion. »Barak hat nichts darüber gesagt.«
»Ein schlechtes Omen so früh am Tag«, meinte Durnik. »Diese Chereker sind ein merkwürdiges Volk.«
Garion nickte zustimmend.
Hinter dem Westtor lagen offene Felder, die im hellen Licht der Morgensonne glitzerten. Sie überquerten die Felder und fuhren auf den etwa zwei Meilen entfernten Waldrand zu, wobei sie große Wolken pulverigen Schnees aufwirbelten.
Entlang ihres Weges lagen Farmhäuser, die sich in den Schnee duckten. Sie waren aus Balken gezimmert und hatten spitzgiebelige, hölzerne Dächer.
»Diese Leute scheinen keine Angst vor Gefahr zu haben«, sagte Durnik. »Ich möchte bestimmt nicht in einem Holzhaus wohnen – wenn man an Feuer und so etwas denkt.«
»Es ist schließlich ein anderes Land«, meinte Garion. »Wir können nicht erwarten, daß die ganze Welt so lebt wie wir in Sendarien.«
»Wahrscheinlich nicht«, seufzte Durnik, »aber ich sage dir, Garion, ich fühle mich nicht sehr wohl hier. Manche Leute sind eben nicht fürs Reisen geschaffen. Manchmal wünschte ich, wir hätten Faldors Farm nie verlassen.«
»Ich manchmal auch«, gab Garion zu und betrachtete die hohen Berge, die unmittelbar aus dem vor ihnen liegenden Wald aufzusteigen schienen. »Aber irgendwann wird es vorbei sein, und dann können wir wieder nach Hause.«
Durnik nickte und seufzte wiederum.
Als sie in den Wald kamen, hatte auch Barak sich gefangen und seine gute Laune wiedererlangt. Er ging umher und stellte die Treiber auf, als wäre nichts geschehen. Dann führte er Garion durch den kniehohlen Schnee zu einem großen Baum, der in einiger Entfernung von der schmalen Schlittenspur stand. »Das hier ist ein guter Platz«, sagte er. »Hier ist eine Wildspur, und vielleicht benutzen die Wildschweine
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