Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
es noch einmal und strich dabei im Geiste die überflüssigen Zeichen.
»Ich hab das nur so dahingeworfen«, sagte sie. »Natürlich könnte man es auch komplizierter machen. Nach einem vertikal symmetrischen Konsonanten, wie ›H‹, nur die folgenden beiden auslassen. Und so weiter.«
»Gut. Die Cluster sind also … die Teile, die sie auslassen?«
»Die Konstanten, genau. Die Buchstaben von ›Hicks‹ sind alle da. Wie Sie sehen, sogar in der richten Reihenfolge. Nur die Gruppen von Konstanten zwischen den Buchstaben lassen die Reihe zufällig und bedeutungslos erscheinen. Die zusätzlichen Zeichen habe ich willkürlich eingesetzt. Sie haben keine Bedeutung.«
Sie haben keine Bedeutung …
Verdammt. Ich stellte mir unseren Killer vor, wie er in jener Nacht in dem Komplex gewartet hatte, bis irgendjemand dort entlangkam. Waren diese Morde Teil des Musters, das zu ergründen er uns aufgab? Oder waren sie die Konstanten, zwischen denen sich der Rest vor uns verbarg?
»Sie meinen also«, sagte ich langsam, »dass alle diese Daten gar nichts bedeuten könnten? Dass jedes Muster, nach dem wir suchen, nur ein Teil davon sein könnte?«
Professor Joyce nickte kurz. Und da ihr klar war, worum es hier ging – nämlich nicht um Reihen von Codes, sondern um Menschen, die umgebracht worden waren –, ließ ihr Gesicht zum ersten Mal einen Hauch von Emotion erkennen. Sie sah traurig aus angesichts der Wahrheit hinter den Erkenntnissen, die sie gewonnen hatte.
»Ja«, sagte sie. »Das ist gut möglich.«
37
I ch wusste, dass ich so etwas schon mal gesehen hatte«, sagte DS Renton. »Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, und vielleicht ist auch nichts dran. Aber ich musste gleich daran denken.«
Wir befanden uns wieder im LG15 – dem Darkroom. Dieses Mal aber nicht, um ein Video zu analysieren. Renton loggte sich auf einer Webseite ein. Abgesehen von ein paar grauen Textsplittern und einer Kopfzeile aus Teufelshänden, die auf eine Reihe blutiger Schädel eindroschen, war der Bildschirm pechschwarz.
»Was ist das?«, wollte ich wissen.
»Eine Horrorseite. Ein Forum voller richtig extremer Bilder. Filme von Tod, Folter, Selbstmord, Vergewaltigung, Mord …«
»Für so etwas gibt es Foren?«
Die Neonröhre unter der Decke brummte unheilvoll vor sich hin.
Renton zuckte mit den Schultern, während er den User und sein Passwort eingab.
»Das Internet ist voll davon«, sagte er. »Aber das hier ist so eine Art zentraler Treffpunkt. Ich meine, man muss nicht genau auf diese Seite gehen, wenn man sich ein Video ansehen will, in dem jemand geköpft wird, die findet man überall. Aber auf dieser Seite werden diese Sachen und alles andere auch katalogisiert, wenn ich das mal so sagen darf.«
»Unglaublich.«
»Tausende von Usern sind rund um die Uhr online. Neues Material dieser Art wird meistens hier gepostet und kommentiert.«
Das darf nicht wahr sein, sagte ich mir.
»Unser Video ist nicht …«
»Nein, nein, keine Sorge. Aber wir durchforsten diese Seiten ziemlich oft – jeden Morgen, fünf Minuten lang, um ein wenig Ausschau zu halten nach Dingen, bei denen wir eventuell eingreifen müssen. Kommt nicht oft vor, aber manchmal schießt einer über das Ziel hinaus und stellt etwas ein, das er lieber bleibenlassen sollte.«
Die Seite wechselte zur Forenübersicht. Oben auf dem Schirm noch immer dasselbe Bild, darunter die Unterforen. Echt krasse Horrorbilder . Echt krasse Horrorfilme . Die Zahlen auf der rechten Seite zeigten, dass jede Kategorie Tausende von Posts enthielt.
»Hier gibt es Regeln? «
»Oh, ja. Wobei die sich aber meist darauf beschränken, dass Kinderkram nicht zulässig ist. Selbst Irre haben eine Vorstellung von Moral, auch wenn der eine oder andere meint, im Schutz der Anonymität alles zu dürfen. Deshalb haben wir ein Auge darauf.«
»Anonymität?«
»Ja. Früher war diese Seite für jeden zugänglich. Heute muss man sich registrieren, um einen Beitrag zu sehen. Neue Mitglieder werden nicht mehr aufgenommen. Es ist eine geschlossene Community von Irren, die ihnen ein gewisses Maß an Freiheit gewährt. Oder jedenfalls die Illusion davon.«
»Okay.«
»Kann losgehen.« Renton klickte auf den Favoriten-Link in seinem Profil. »Ich hab die Seite letzte Nacht noch mal durchsucht und es wiedergefunden. Den Thread habe ich dann gespeichert. Ist ziemlich interessant. Nicht schön. Machen Sie sich auf was gefasst.«
Er öffnete den Thread und klickte ein Video im ersten Beitrag an. Ein neues
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