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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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beigetragen, mich zu überzeugen, daß ich meine wahre Berufung gefunden hatte, und die Gesellschaft der Wartezimmer hatte mich nicht gerade durch sprühende Lebensfreude eines Besseren belehrt.
    Die Auswirkungen dieser Umgebung auf meinen Geliebten schienen denen von Raul und Imre zu ähneln, nur ein paar Nummern größer – was für mich allerdings mit dem Nachteil verbunden war, daß es in Ciudad Pallas nicht einmal die ästhetischen Zerstreuungen gab, die man im Grand Palais der Unicorn Garden finden konnte.
    Leider war mein Geliebter aber auch mein Wohltäter, was heißen soll, daß er meine einzige Einkunftsquelle war – abgesehen von dem, was ich als Psychonautin verdienen konnte –, denn die Möglichkeit, meine Karriere als angehende Geschichtenerzählerin wieder aufzunehmen, schien hier nicht in Frage zu kommen; ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie ich in Ciudad Pallas als tantrische Künstlerin Ruegelt verdienen konnte. Die unangenehme Wahrheit war, daß ich in dieser verdammten Stadt festsaß, bis Guy sie nicht mehr amüsant fand oder bis ich genug verdient hatte, um wirtschaftlich unabhängig zu werden. In Ciudad Pallas schien es aber nur einen Weg zu geben, um das zu erreichen.
    Also sah ich keine andere Möglichkeit, als Guy am nächsten Morgen zu einem der vielen Sanatorien zu begleiten. Doch mein erster Eindruck von diesen Anstalten war geeignet, meine Stimmung zu heben, denn natürlich waren sie kunstvoll entworfen und eingerichtet, um genau diese Wirkung zu erzielen.
    Das Sanatorium war eine Kuppel auf einem schlichten grauen Würfel; von draußen bot sie keinen angenehmeren Anblick als jedes andere Gebäude in Ciudad Pallas. Innen jedoch sah es ganz anders aus. Die durchsichtige Glaskuppel überdachte einen weiten, zentralen Innenhof, um den die Zimmer, Büros und Labors der Klinik angeordnet waren.
    Dieses zentrale Atrium erinnerte mich an das Vivarium der Unicorn Garden, natürlich mit dem Unterschied, daß durch die Kuppel der natürliche Himmel zu sehen und der Garten darunter recht einfach war – er bestand nur aus einigen gewöhnlichen Bäumen irdischer Abstammung, einer Wiese, Blumenbeeten, einem bescheidenen Springbrunnen und ein paar Holzbänken.
    Die Flure im Innern des Gebäudes, das Zimmer, in dem wir interviewt wurden, der Raum, in dem die Drogen verabreicht wurden, waren mit gemasertem Holz verkleidet, die Decken dunkelblau gestrichen, und auf dem Boden lagen dicke, waldgrüne Teppiche.
    Alles in allem war es den Erbauern gelungen, hinter diesen abgeschiedenen Mauern ein Ambiente von Behaglichkeit und Ruhe zu schaffen; im übrigen schienen die Angestellten des Sanatoriums darauf bedacht, sich angemessen zu kleiden – lang fallende Gewänder in natürlichem Braun oder Grün oder in anderen kräftigen Farben. Jene, die ihrem sonderbaren Benehmen und etwas verkommenem Aussehen nach die Langzeitgäste des Sanatoriums waren, trugen ähnliche Kleidung und durften müßig durch die Flure und den Garten streifen.
    Der einzige Mißklang kam von den üblichen Bewerbern im Wartezimmer, die sich nicht von ihren Kollegen in den Labors zu unterscheiden schienen.
    Nach den üblichen Stoffwechseluntersuchungen wurden Guy und ich als Probanden akzeptiert und bekamen jeder fünfundzwanzig Krediteinheiten für einen Test angeboten, der uns als Erprobung einer einzigen vielversprechenden Substanz erläutert wurde. Das war in der Tat etwas ganz anderes als die Massenabfertigung in den Labors; aus diesem Grund erklärte selbst ich mich mit einer gewissen Begeisterung einverstanden, wenn sie auch durch die Tatsache gedämpft wurde, daß wir wie üblich nicht erfuhren, mit welcher Droge man experimentieren würde; unsere Reaktionen sollten nicht durch Erwartungen verfälscht werden.
    Meine Befürchtungen verstärkten sich jedoch, als Guy, ich und die vier anderen akzeptierten Psychonauten von jeweils einem anderen Angestellten in abgetrennte Kabinen geführt wurden.
    Die Person, der ich zugewiesen wurde, war immerhin so freundlich, sich nach meinem Namen zu erkundigen und sich als Professor Sigismund Farben Bruna vorzustellen, eine menschliche Geste, die sich völlig vom Betrieb in den Labors unterschied, wenn sich die Höflichkeit auch nicht darauf erstreckte, daß die Namensgeschichten ausgetauscht wurden.
    Ich bekam wieder Elektroden an die Schläfe fixiert, eine Sonde in eine Vene geschoben, eine zweite in die Vagina, doch die Drähte waren nicht mit einer sperrigen Maschine verbunden, sondern

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