Kind des Glücks
alles außer meinen Stolz ohne Belang war, und andererseits wäre der Sache am besten gedient, wenn ich eine Haltung überlegener Gelassenheit annahm.
»Verdad, du bist die wundervollste Geliebte, die ich je hatte«, murmelte er töricht.
»Verdad, das bin ich«, erwiderte ich trocken, denn angesichts der Bescheidenheit seiner Erfahrung in dieser Kunst, verglichen mit unseren Altersgenossen, und seines nicht gerade überragenden tantrischen Geschicks, war dies eine Schmeichelei, die mein junges Herz nicht gerade Sprünge machen ließ.
»Mach es mir nicht noch schwerer…« Er heulte fast, erwiderte meinen Blick mit einem Schmollmund, war offensichtlich erleichtert, sein schüchternes Unbehagen gegen einen Groll auf mich zu vertauschen.
»Nur die Ruhe, kleiner Davi«, sagte ich mit der ganz entgegengesetzten Absicht, »wenn du Angst hast, mich damit zu verletzen, daß du noch eine kleine Liebschaft hast, dann sei versichert, mein pauvre petit, daß ich selbst nicht unter einem Mangel an Liebhabern leide – nicht in der Vergangenheit, heute nicht und in der Zukunft nicht. Und deshalb werde ich kaum am Boden zerstört sein, wenn du mir eine kleine Sünde beichtest.«
Doch statt zusammenzuzucken, lächelte er mich dümmlich an; jedenfalls schien es mir so. »Ah, Moussa, ich wußte, daß du es verstehen würdest…« Er stöhnte leise und erleichtert.
»Wer ist es denn – Andrea, Flor, Belinda?« fragte ich mit einer Nonchalance, die zugleich gespielt und echt war. Denn während die unsterbliche Treue dieses Geliebten, an den ich bereits in der Vergangenheitsform dachte, meinem gleichgültigen Herz in der Tat eine ermüdende Last gewesen wäre, erzeugte die andere Annahme – daß dieser Lausejunge die Gunst einer anderen meiner eigenen vorziehen konnte, wo doch der Beweis seiner jugendlichen Unfähigkeit als Liebhaber auf der Hand lag – dennoch einen Anfall von lèse majeste, den ich kaum mit belustigter Gelassenheit hinnehmen konnte. Nicht einmal vor mir selbst. Besonders nicht vor mir selbst.
Abermals stimmte jedoch meine Wahrnehmung der Situation nicht mit der Realität überein. »Es gibt keine andere, Moussa«, sagte er. »Wie sollte es auch sein? Von allen Frauen, die ich kenne, bist du die einzige, die mich in Versuchung bringt zu bleiben.«
»Die dich in Versuchung bringt zu bleiben?«
»Ja, du bringst mich in Versuchung zu bleiben, aber…«
»Aber was, cher idiot? Was redest du da für einen Unsinn?«
Er sah mich an, als wäre ich diejenige, die nicht die Worte fand, um ihre Ansicht klarzumachen. »Aber ich beginne nächste Woche mit meinem Wanderjahr«, platzte er heraus. »Nächste Woche startet die Ardent Eagle nach Nova Roma, und ich werde an Bord sein. Meine Eltern haben schon das Ticket gekauft.«
Er strahlte mich an. Er glühte vor Begeisterung. »Phantastisch, was?« rief er aus. »Domo Athene Weng Sharon hat den Vorsitz im Grand Palais der Ardent Eagle! Meine Mutter ist einmal mit ihr gereist, und sie sagt, das Dekor sei wundervoll, die Unterhaltungen hervorragend, die Atmosphäre aufregend, und der chef maestro Tai Don Angelica gehörte zum besten halben Dutzend der ganzen Kosmokultur!«
»Du… du gehst nächste Woche auf dein Wanderjahr…?« stammelte ich. »Als Geehrter Passagier?« Warum schnitt mir diese unerwartete Enthüllung ins Fleisch, wie es kein Geständnis einer menschlichen Rivalin vermocht hätte? Was war Davi denn für mich, wenn nicht ein austauschbarer Geliebter, der schon fast abgelegt war? Warum der nicht zu verleugnende Wunsch, ihn hier bei mir zu halten, den ich aber trotzdem nicht verstehen konnte?
»Naturellement«, sagte er fröhlich, meine Worte völlig unbeeindruckt von ihrem Klang beantwortend. »Meine Eltern können sich es natürlich, wie dir sicher bewußt ist, ohne weiteres leisten, mir die Fahrt von Welt zu Welt auf angemessene Weise zu ermöglichen. Warum sollten sich mich wie ein Stück Fleisch ins Elektrokoma stecken, wenn sie es sich leisten können, mir den Zugang zu einer Kosmokultur zu kaufen, ohne daß sich auf ihren Konten etwas verändert? Deine eigene Mutter und dein Vater werden doch sicher nicht weniger für dich tun?«
»Natürlich nicht!« erklärte ich ihm, obwohl wir das Thema bisher noch nie angeschnitten hatten. »Aber warum diese Eile? Ist das Leben auf Glade denn so langweilig? Wirst du nicht traurig sein, Nouvelle Orlean zu verlassen?«
»Eile? Aber ich bin bald achtzehn Standardjahre alt. Viele unserer Freunde sind Kinder des
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