Kind des Glücks
Glücks geworden, ehe sie dieses fortgeschrittene Alter erreichten…«
Dieses fortgeschrittene Alter? Aber dieser alberne Junge war jünger als ich! Mein ganzes junges Leben lang hatte ich gewünscht, nach Jahren älter und reifer zu wirken, und jetzt auf einmal kam dieser… dieser Trottel daher und gab mir das Gefühl, mit meinen achtzehn Jahren eine alte Schachtel zu sein! Zum erstenmal in meinem Leben wünschte ich mir, wenigstens im Augenblick, jünger zu sein, als ich war; es gibt sicher Menschen, die behaupten würden, n’est-ce pas, daß dies genau der Augenblick ist, in dem ein Mädchen zur Frau wird.
»Und was Nouvelle Orlean angeht…« plapperte Davi, der meine Stimmung nicht bemerkte, der völlig blind gegenüber dem Gemetzel war, das sein Geschwätz in meinem Kopf anrichtete.
»Und was Nouvelle Orlean angeht?« fragte ich scharf.
Schließlich begann es Davi zu dämmern, daß seine Auslassungen nicht gerade mit lebhafter Begeisterung aufgenommen wurden, wenn auch der Gedanke, daß er die Ursache des nicht geringen Schmerzes war, nicht richtig in sein primitives Männerhirn vorzudringen schien. Er legte eine Hand an meine Wange, als wollte er ein Kind trösten.
»Was Nouvelle Orlean angeht«, sagte er, »nun, ich werde dich am meisten vermissen, Moussa. Ich hab’ länger als ein Jahr davon geträumt, dein Geliebter zu werden. Wenn du nicht wärst, wäre ich vielleicht schon lange weg. Verdad, wenn wir noch nicht unsere Zeit zusammen verbracht hätten, würde ich vielleicht sogar noch etwas trödeln. Aber was den Rest angeht…«
Er lächelte, zuckte die Achseln, legte beide Hände auf meine Wangen und küßte mich wie ein richtiger Mann, und in diesem kurzen Augenblick wenigstens sah ich wieder den aufrichtigen, naiven Charme, der einmal einen kleinen Teil meines Herzens gewonnen hatte.
»Haben wir nicht gekostet, was zu kosten war, gesehen, was zu sehen war, sind wir nicht gewesen, was wir sein konnten als Kinder von Nouvelle Orlean – du und ich, Moussa?« sagte er. »Nouvelle Orlean ist die wundervollste Stadt auf unserer ganzen Welt, und wir wissen es beide und lieben sie. Aber nachdem wir sie nun ausgekostet haben und so gut kennen wie die Gärten unserer Eltern oder wie wir einander kennen, ist es da nicht an der Zeit weiterzuziehen?«
Ich betrachtete ihn schweigend, erblickte zum erstenmal den süßen, edlen Mann, zu dem dieser so geringschätzig betrachtete Geliebte einmal werden würde, und in diesem Augenblick des Abschieds war eine Tiefe in meinem Herzen berührt, die sich noch nie geregt hatte.
»Nächste Woche gehe ich auf mein Wanderjahr, und bald wirst du auch ein Kind des Glücks sein, mi Moussa. Hätte ich denn für immer hierbleiben können und nie die Geschichte meines Eigennamens erfahren können? Wärest du hier bei mir geblieben, bis wir beide alt geworden wären, ohne je eine andere Welt zu sehen?«
»Nein«, sagte ich leise.
»Können wir dann als Freunde scheiden? Denn von allem, das Glade mir bedeutet hat, was das schönste meine Zeit mir dir. Sollte nicht meine schönste Erinnerung an die Heimat auch die letzte sein?«
»Wahr und edel gesprochen, cher Davi«, erklärte ich mit einer Zuneigung, die aufrichtiger war als alles, was ich bisher in meinem unreifen jungen Herzen gefühlt hatte. »Wir wollen immer Freunde bleiben, Davi. Möge dein Weg aufsteigen und dir begegnen. Bon voyage.«
Und ich küßte ihn ein letztes Mal, ebenso um meine Tränen zu verbergen, wie um ihm Aufwiedersehen zu sagen. Verdad, meine schönste Erinnerung an alle Liebhaber, die ich auf meinem Geburtsplaneten hatte, war mein letzter Augenblick mit dem allerletzten.
Nachdem Davi fort war, ging ich in den Garten hinaus und saß eine Weile unter den überhängenden Bäumen, tief in formlosen Gedanken versunken. Der Himmel war wolkenlos, die Luft war still, und die Sonne schien warm, und bald hörte ich das Pfeifen der kleinen Moussas in den Baumwipfeln.
Lange Zeit saß ich dort, starrte in die Bäume hinauf, sah ab und zu kleine, goldene Schatten in den Bäumen herumhüpfen. Hin und wieder, jedenfalls schien es so, blickten winzige Smaragdaugen herab wie durch die wallenden grünen Nebel einer unschuldigen Vergangenheit. Ich war so dumm zu hoffen, daß die Spielgefährten meiner Kinderzeit ein letztes Mal herabkämen, um sich in meine Hände zu kuscheln, und sei es nur, um der Moussa, die es nicht mehr gab, einen Abschiedsgruß zu bringen.
Natürlich kamen sie nicht, nicht einmal, als ich
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