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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Himmel hinauf zu folgen; denn es war vom Standpunkt eines Bewußtseins, das unter meinem augenblicklich geistlosen Gehirn gefangen war, tatsächlich eine mächtige Verdichtung.
    Denn trug dieses Bewußtsein nicht den Namen Sunshine, und war ihr dieser Name nicht von einem Geist gegeben worden, dessen Gesicht eine Halo aus goldenem Haar trug? Vraiment, hatte ich nicht einst bewußt eben diese goldene, aufgehende Sonne als Symbol und Hüterin meiner Entschlossenheit, zu den Menschenwelten zurückzukehren, gewählt?
    Deshalb hatte das Schicksal beschlossen, obwohl ich von den Blumen unter hypnotischem Bann gehalten wurde, einen Gegenstand von genau dieser Farbe in mein Gesichtsfeld zu bringen – eine Farbe, die mit hoher Wahrscheinlichkeit meinen Geist aus der himmlischen Trance reißen würde.
    Langsam und ohne bewußten Gedanken befreite sich meine rechte Hand aus der nirvanischen Starre, in der mein Körper lag, und wie die Heldin eines Romans, die unter der erdrückenden Schwerkraft eines grausam massiven Planeten kämpft, kroch die Hand quälend langsam zu meiner Hüfte und verstellte den Knopf des Schwebegürtels so weit wie möglich im Uhrzeigersinn. Dann, als hätte mich diese Anstrengung völlig erschöpft, fiel sie kraftlos an meiner Seite aufs Blatt.
    Das langsam unter mir wegsank.
    Denn immer noch auf dem Rücken schwebend, immer noch den Gegenstand meines Verlangens anstarrend, hatte ich tatsächlich, vom 0.1 g starken Schub meines Schwebegürtels getrieben, begonnen, der Sonne entgegenzuschweben.
    Als mein Körper langsam durch die Schichten und Winde der Atmosphäre stieg, erhob sich mein Geist ebenfalls aus den Tiefen des Nichtseins zum goldenen Licht des intelligenten Bewußtseins. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Zeitpunkt erinnern, in dem man von meinem Bewußtsein sagen konnte, daß es seine Herrschaft zurückgewonnen hatte – ebensowenig, wie man sich am nächsten Morgen an den genauen Augenblick des vergangenen Abends erinnern kann, in dem man die Grenze zum Schlaf überschritt.
    Es soll genügen zu sagen, daß ich mich nach einer Weile ganz wörtlich wiederfand, wie ich in den wechselnden Winden über dem Bloomenveldt trieb. Meine Kleidung hing in Fetzen herab, mein Gesicht war verkrustet und verschmiert mit einer ekligen Schicht aus getrocknetem Fruchtmark und Saft, und nun kamen die vagen, doch erschreckenden Erinnerungen an das, was zu werden ich gezwungen worden war.
    Mein erster Willensakt, sogar noch bevor mein Bewußtsein völlig zurückgekehrt war, bestand daran, meinen Schwebegürtel auf 0.1 g positiv zu stellen und im Niedersinken ein Blatt ausfindig zu machen, das ein gutes Sprungbrett für meinen nächsten Satz nach Osten abgeben würde.
    Wirklich, ich wußte kaum, was ich tat oder warum ich es tat, bis ich mich mit einem mächtigen Sprung von diesem Blatt löste und zum einsam lächelnden, goldenen Gesicht in dieser endlosen Welt aus feindseligem Grün schwebte. Dann rief ich aus dem Bedürfnis, die Stimme eines vernunftbegabten Menschen zu hören: »Folge der Sonne, folge dem Gelb, folge der Sonne, folge dem Gelb!«
    Während der nächsten Sprünge rief ich diese Worte immer wieder, bis die Wiederholung den Rhythmus eines Sprechgesangs annahm, ohne daß mir in diesem Augenblick bewußt war, was oder warum ich es tat. Doch schließlich diente diese mantrische Rückkehr zur Sprache dazu, auch meinen Gedanken einen gewissen Zusammenhalt zu geben, was heißen soll, daß mir immer schärfer bewußt wurde, was einem lauschenden Ohr zweifellos als Ausdruck meines Irrsinns erschienen wäre.
    Denn in Wirklichkeit begann ich erst jetzt unklar die Mittel zu verstehen, mit denen eine begrabene Bewußtseinsschicht in mir meinen Geist aus dem traumlosen Schlummer geweckt hatte. Soll heißen, daß ich die erforderliche Klugheit zurückgewann, um zu erkennen, daß ich tatsächlich einem selbstprogrammierten visuellen Tropismus gefolgt war, den ich dann instinktiv mit einem verbalen Mantra verstärkt hatte, das wiederum etwas höhere Gehirnregionen beeinflußt hatte.
    Und statt nun dieses Mantra im hellen gelben Licht der einigermaßen wiederhergestellten Vernunft aufzugeben, reduzierte ich die Lautstärke nur so weit, daß es nicht mehr ganz so schrill klang, schonte meine Stimme, um es um so länger durchzuhalten, und verwandelte die Worte in einen monotonen Singsang, der so tief wie möglich in die biologischen Ebenen meines Wesens eindringen sollte – so tief wie ich es vermochte, ohne

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