Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
und eine Droge hinzu, die den gewünschten kinästhetischen Wahrnehmungszustand hervorruft, so daß keine sensorischen Daten, die nicht mit dem synergetischen Mantra verbunden sind, das Bewußtsein stören können. Obwohl ich es in jenem Augenblick nicht wußte, war ich auf eine Technik gestoßen, die häufig von den Schülern der Kriegskünste, von Heilern und den vollkommenen Meistern der meditativen Wissenschaften angewendet wurde.
    Und während ich mir so gut wie möglich selbst der Meister sein mußte, erschufen der Zufall, die Notwendigkeit, der Duft der Lavendelglocken und das bißchen Kunstfertigkeit, das ich besaß, gemeinsam ein synergetisches Mantra, auf das die größten Meister dieser Künste stolz gewesen wären.
    »Folge der Sonne, folge dem Gelb, folge der Zauberstraße…«
    Die visuelle Komponente war zur einfachsten denkbaren mandalischen Formulierung geronnen: ein gelber Kreis, Archetypus der lebensspendenden Sonne. Und auch ein perfekter Meister hätte keine besseren als die in meinem Mantra eintönig schwingenden Silben finden können.
    Egal, wie oft mich der Hunger zu den Früchten und Düften eines Bloomenkinder-Gartens trieb, egal, wie viele Zyklen ich in deren Bann verbrachte – die unvermeidliche Abfolge von Essen, Kopulation und hypnotischem Schlaf mußte mich früher oder später in einer frühen Morgenstunde unter eine Meditationsblume bringen, wo ich die aufgehende Sonne sehen konnte.
    Und daraufhin rief das visuelle Mantra unweigerlich den Gesang des synästhetisch mit ihm verbundenen Mantras hervor… »Folge der Sonne, folge dem Gelb, folge der Zauberstraße…«
    Und regte wiederum die ritualisierte Bewegung meiner Hand zum Kontrollknopf des Schwebegürtels an, und ich stieg langsam in die Luft hoch über das Bloomenveldt, bis ein Schatten des Bewußtseins zurückkehrte – wie ein mystischer Bodhi, der sich durch bloße Willenskraft aus der Maja erhebt.
    »Folge der Sonne, folge dem Gelb, folge der Zauberstraße…«
    Nur dank des Besitzes dieses einzigen nicht durch die Blumen erzeugten Tropismus konnte man von mir sagen, daß ich mich in irgendeiner Weise als eigenmotiviertes Wesen von den Bloomenkindern des Waldes unterschied.
    Denn ebenso wie das Mantra der einzige Gehalt meines Wesens wurde, wenn ich mich unter die Bloomenkinder mischen mußte, war mein Geist unfähig, irgendeinen anderen Gedanken zu fassen, während ich nach Osten über das Bloomenveldt sprang. Wenn deshalb die vorstehende Beschreibung dieses Abschnitts meiner Reise durch das Bloomenveldt in bezug auf ihre Folgerichtigkeit zu wünschen übrigläßt, so liegt des Pudels Kern darin, daß die menschliche Persönlichkeit der Erzählerin dieser Geschichte für alle praktischen Dinge nicht aufnahmefähig war und den Körper nicht als erinnerungsfähiger Zeuge begleiten konnte.
    Genau wie die Stimm- und Sprachmuster eines schon lange Verstorbenen in einer elektronischen Matrix festgehalten und geschickt manipuliert werden können, um eine künstliche Persönlichkeit zu schaffen, mit der man sich sogar unterhalten kann, folgte mein Körper einem Programm, das ihm ein leeren Geist aufgeprägt hatte, während in Wirklichkeit niemand zu Hause war.
     
    Ebensowenig wollte etwas, das man mit einigem Recht als wahres Bewußtsein bezeichnen konnte, zurückkehren, solange nicht der mantrische Zyklus mit Gewalt durch eine deutliche Wende zum Schlimmeren gebrochen wurde, und selbst dann wäre es der Erzählerin dieser Geschichte schwergefallen, sich selbst in der plappernden Erscheinung zu erkennen, wäre sie sich auf der Straße einer zivilisierten Stadt begegnet.
    »Folge der Sonne, folge dem Gelb, folge der Zauberstraße…«
    Geführt von den Schatten, welche die Sonne, die den Zenith schon weit hinter sich hatte, vor mir zeichnete, trieb ich sachte nach unten, um das nächste einer endlosen Reihe von Sprungbrettern zu betreten, als –
    – als plötzlich der Rhythmus des Sprechgesangs, des Schwebens, Landens und Springens durch einen plötzlichen Sturz aus etwa zehn Metern Höhe auf ein Blatt unterbrochen wurde, wo ich mit so unerwarteter Gewalt aufprallte, daß meine Knie nachgaben. Ich taumelte in einer schiefen Rolle vorwärts, fiel auf die Brust, rutschte über das Blatt zur Kante, wo ich fünfhundert Meter tief auf den Waldboden stürzen würde.
    Pure animalische Reflexe ließen mich mit beiden Händen zupacken und den Rand des Blatts packen, während die vordere Hälfte meines Körpers in die schwindelerregende

Weitere Kostenlose Bücher