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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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geschlossener Kreis, der keinen Raum für einen bewußten Willen ließ.
     
    In äußerster Verzweiflung, die nur durch einen gleichermaßen mächtigen Zorn ausgeglichen wurde, während mein Magen vor Schmerzen hämmerte, meine Ohren vor Schwäche klingelten, meine Beine weich wurden und meine Nase ständig von Versprechungen rascher und köstlicher Erlösung aus dieser selbstgewählten Tortur heimgesucht wurde, sah ich mich gezwungen, rasch etwas zu tun, und machte mich in Richtung des wärmenden Scheins der aufgehenden Sonne auf, die schon längst den Morgennebel vertrieben hatte.
    Doch auch in diesem Augenblick muß ich gewußt haben, daß ich das Unvermeidliche nur aufschob. Denn als es Mittag wurde, wurde der Schmerz in meinem Magen viel stärker, ich war vor Hunger so schwach, daß ich kaum noch die Richtung meiner immer kraftloseren Sprünge kontrollieren konnte; ich war so benommen, daß mein Bewußtsein zu flackern begann, während auf der anderen Seite die Düfte der köstlichen Früchte, die ich nur zu nehmen brauchte, meine Sinne so weit überfluteten, daß ich kaum noch Platz in meinem Kopf hatte außer für das inzwischen automatisch ablaufende Kommando, in die Richtung des Sonnenaufgangs weiterzuziehen, ein bloßes Programm, das Überbleibsel meines bewußten Geistes.
    Doch unweigerlich wurde schließlich mein Körper so schwach, daß er nicht länger einen bewußten Geist, der seinem eigenen Lied folgte, stützen konnte; der parfümierte Atem der Blumen packte die Reste meines Bewußtseins, was heißen soll, daß ich mit einem gewaltigen, animalisch erleichterten Seufzen schließlich dem Ruf des nächstbesten Blumenbanketts folgte.
    In diesem Garten waren einige Dutzend Blumen: Lavendelglocken, gelbe Becher voller Nektar, rosa Blumen der Leidenschaft, krümelige schwarze Pyramiden mit Pollen, umgeben von kleinen weißen Schürzen aus Blütenblättern, vielleicht auch andere Sorten; in meiner Wahrnehmung spielte das Auge kaum noch eine Rolle, denn alles war auf Geruch und Geschmack reduziert, die verschmolzen und meine Wahrnehmung dominierten, bis der Hunger und das köstliche Stillen desselben zum Kern meines Wesens wurden.
    Ich schob das Gesicht in den dicken, klaren Nektar, der in der nächsten gelben Blüte war, ohne auf die beiden Bloomenkinder zu achten, die neben mir dasselbe taten, und stürzte Mundvoll auf Mundvoll durch meine Kehle; fast hätte ich ekstatisch gestöhnt dabei.
    Denn der rauchig-süße Geschmack des Saftes war die perfekte Erfüllung dessen, was das Aroma meinem Kleinhirn versprochen hatte: mit Zucker glasiertes, knusprig gebratenes Fleisch. Die Auswirkung auf die verhungerten Zellen meines Körpers kann nur beschrieben werden als das millionenfache Funkeln eines Geschmacksorgasmus.
    Als ich mich gesättigt hatte, oder besser und sicher richtiger, als sich der pheromonische Wind gedreht hatte und mein Wesen mit etwas wie dem Duft dampfender, schokoladeüberzogener Zimtkuchen füllte, die gerade aus dem Ofen gekommen waren, verließ ich den Nektarbecher und ging ohne einen bewußten Gedanken geradewegs zu den großen schwarzen, von weißen Blütenblättern umgebenen Hügeln, deren krümelige schwarze Pollen ich mir mit beiden Händen in den Mund stopfte. Ich zitterte entzückt, während ich die klebrigen und knusprigen Körner kaute, die nach gewürzten Nußkeksen mit weicher Schokoladeglasur schmeckten.
    Ebensogut erinnere ich mich an die großen schwarzen Beeren, die mich mit dem Aroma von feinem Brandy anzogen und nach Minzwein schmeckten; an die langen roten Früchte, die nach Jasmin dufteten, und an die schwarzen Pilze, die nach Früchten in saftiger Karamelsoße schmeckten.
    Ich war in einem Zustand völligen Entzückens, denn mein ganzes Bewußtseins bestand aus den quälenden Aromen geschmacklicher Lust und der sofortigen orgasmischen Befriedigung derselben. Wie lange dieses Festessen dauerte, je ne sais pas, denn certainement besaß ich kein ausreichendes Bewußtsein mehr, keine Geistesgegenwart, um die Minuten oder Stunden zu zählen; nicht einmal den Begriff der Zeit vermochte ich noch zu erfassen.
    Ebensowenig achtete ich auf die Bloomenkinder, in deren Mitte ich speiste, genauso wie sie sich durch eine Erscheinung wie mich keineswegs zu einem Tischgespräch oder Blickkontakt oder auch nur der kleinsten Ablenkung von der anspruchsvollen Tätigkeit der Nahrungsaufnahme verleiten ließen. Wir gingen von Blume zu Blume und aßen. Das war der Kern unserer verzückten

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