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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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lauschen.
    Er folgte mir während des ganzen Tages in einiger Entfernung, mühte sich, mit dem Klang meiner Stimme Schritt zu halten, denn was mich anging, war die Geschichte, die ich erzählte, ein Lied, das ich nur mir selbst vorsang, und ich hatte keine Lust, zum Guru zu werden oder ihm zuliebe meinen Schritt zu verlangsamen. In dieser Nacht schliefen wir auf gut zwanzig Meter voneinander entfernten Blättern. Denn ich hatte kein Bedürfnis, mit jemand zu sprechen, der so tief im Abgrund des Nichtbewußtseins versunken war, aus dem ich so mühsam herausgekrochen war, und er war es zufrieden, von weitem meiner Geschichte zu lauschen, als wäre ihm irgendwie die Kluft bewußt, die unsere Geister trennte.
    Vielleicht ist das alles nur eine post-facto- Rechtfertigung, denn ich kann nicht behaupten, daß ich eine hochentwickelte Art von Erleuchtung erreicht hätte, in der der Bodhi zufrieden ist, zu leuchten, ohne sich um die weltlichen Konsequenzen zu kümmern. Es soll reichen zu sagen, daß er sich vielleicht entschlossen haben mochte zu folgen, doch daß ich mich nicht entschloß zu führen; denn wenn ich mich damals an ihn gewandt hätte, dann nur um ihm zu sagen, daß ein wirkliches Kind des Glücks keinen Führer und keinen König anerkennt. Wenn die Moralphilosophen dies als grobe Gleichgültigkeit beurteilen, dann kann ich nur erklären, daß moralische Verantwortung oder ihr Gegenteil Begriffe waren, die mein Geist in diesem Augenblick nicht fassen konnte, und mich dem Spruch des Gerichts unterwerfen.
     
    Am folgenden Morgen, als sich mein Geist der Sonne entgegenhob, gestärkt durch den Triumph des vergangenen Tages, suchte ich geradewegs eine andere Blume aus, ohne an das Wesen zu denken, das meine Worte meiner Verantwortung unterstellt hatten; ebensowenig hatte ich andererseits Hemmungen, ihn mit dem endlosen Vortrag meiner Geschichte weiterzulocken.
    Bald genug erreichte ich eine orangene Blüte, wo drei hagere Frauen faserige blaue, röhrenförmige Früchte verspeisten. Diesmal schritt ich ohne Zögern auf sie zu, während meine Erzählung ungebrochen weiterging, und eine der Frauen schien mit einer gewissen gleichgültigen Aufmerksamkeit aus dem Ohrenwinkel zuzuhören, so daß ich stehenblieb und zu einem angemessenen Schluß kam wie ein richtiger Geschichtenerzähler der Gypsy Joker, statt sofort nach der Frucht zu greifen – letzteres wäre mir vorgekommen, als hätte ich wie damals unter den Nasen der Bewohner der Anstalten inkognito mein Fressen geschnappt.
    »Und wer ist der Flötenspieler, der euch zum Funken der Arkies zurückführen wird?« erklärte ich, um die Geschichte abzuschließen.
    »Das Kind des Glücks in uns allen, die Erzählerin der Geschichte – und dem Geist, den ihr in euch selbst tragt, zu Ehren werdet ihr nun diese Geschichtenerzählerin mit Ruegelt überschütten!«
    Die exilierte, zerlumpte Edojin musterte mich einen Augenblick mit einem seltsamen Ausdruck, und die Logik der Traumzeit und die Logik der Alltagswelt kamen zur Übereinstimmung. »Früchte, please«, erklärte ich meinem Publikum. »Gebt… mir… Früchte.«
    Dann, als wäre ein Schlüssel im lange vergessenen Schloß der Etikette herumgedreht worden, gab sie mir eine der blauen Röhren mit einer grotesk großmütigen Geste, mit der sie vor langer Zeit einem Bettler auf einer zivilisierten Straße eine Münze zugeworfen haben mochte.
    Soweit mich derart komplexe Gefühle rühren konnten, war dies zweifellos die Krönung in der Karriere eines Geschichtenerzählers, doch soweit man sagen konnte, daß sich in mir noch ein Gefühl der Abscheu gehalten hatte, war ich entsetzt über dieses Echo, über dieses Gespenst einer menschlichen Reaktion.
     
    Am nächsten Morgen, immer noch von meinem kaum beachteten Jünger begleitet, ging ich direkt zu einer Blume, um mein Frühstück mit einer Erzählung zu verdienen, und so entwickelte sich mein Nahrungskreislauf. Nicht mehr ausgehungert, nicht mehr verängstigt vor der Kraft der Blumendüfte, mußte ich auf irgendeiner Ebene erkannt haben, daß ich nun ohne weiteres zu einer beliebigen Blume gehen und mich mit eigenen Händen reichlich mit Früchten bedienen konnte.
    Doch in der Traumzeit war ich eine Geschichtenerzählerin der Gypsy Joker, die ihren Lebensunterhalt mit der Kraft des Wortes verdiente, und so schritt ich kühn hinter meinem Schild von Worten in die pheromonischen Winde und trat wie die Prinzessin der Geschichtenerzähler direkt vor eine gelbe Blume, wo

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