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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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dem ich mich jetzt befand.
    »Erinnert euch, daß ihr Kinder des Glücks wart… erinnert euch daran, daß ihr freie und bewußte Wesen wart, die von der Kraft ihres Geistes in den Straßen des großen Edoku lebten…«
    Während ich erzählte, ging ich langsam weiter auf die purpurne Blume zu, tiefer in ihre olfaktorische Einflußsphäre hinein, erprobte die Kraft des Wortes gegen die Macht des Duftes, wie ich meinen nackten Willen gegen viel stärkere Düfte im Kampf der Fastenzeit gestemmt hatte.
    »Erinnert euch, wie Pan der Flötenspieler euch aus dem Duftgarten und in die Goldberge führte, während die langen, langsamen Jahrhunderte zwischen den Sternen verstrichen…«
    Mein Zittern ließ nach, als ich mich an meinen Gang in der Traumzeit vom Duftgarten zu diesem Grenzland des bewußten Geistes erinnerte, als mich mein unabhängiger Wille in einer bewußt mäßigen Geschwindigkeit weitergetrieben hatte, wie er mich geschützt hatte vor den Verlockungen der Düfte und der zehrenden Ungeduld meines Körpers.
    Vielleicht erinnerte sich der kleinere, dunklere der beiden Männer, vielleicht erinnerte sich der dort auf der Blume kauernde Mann an die Zeit, als auch er noch ein freies Wesen des Wortes gewesen war, denn seine Augen hoben sich wie von selbst von seinem Mahl, blinzelten mich verwirrt und armselig an, während er fortfuhr, dicke Stücke aus dem festen grünen Mark seiner gelben Frucht zu beißen.
    »Und wohin ist der Flötenspieler der Zauberstraße nun gegangen, da ihr hiersitzt wie elende Lohnsklaven des Pentagon und die Früchte des Vergessens eßt, um eure schon lange verblaßten Geister zu nähren?«
    Ich war jetzt in Reichweite der Früchte, erzählte immer weiter, und mein Geist besaß immer noch die Gewalt über den Tropismus und den Hunger meines Körpers.
    »Nirgends und überall, hier in der Erzählerin der Geschichte, vraiment, im letzten Arkie-Funken in eurem eigenen menschlichen Herz!« rief ich schließlich dem Mann, der vor mir hockte, ins Gesicht. Ohne sein Fressen ganz einzustellen, erwiderte er meinen Blick mit etwas, das mir vorkam wie das kämpfende Gespenst eines Bewußtseinsfunkens.
    »Da!« rief ich, indem ich zur Spätvormittagssonne deutete. »Folgt dem Arkie-Funken in euch, folgt der Sonne, folgt dem Gelb, folgt wieder der Zauberstraße…«
    Und als der zerlumpte Kerl den Blick auf das goldmähnige Gesicht des Flötenspielers richtete, schnappte ich mir mit der anderen Hand eine Frucht, klemmte sie unter den Arm und kehrte, der Moral meiner eigenen Geschichte gehorchend, der Blume den Rücken und wandte das Gesicht zur Sonne und zog mich nach Osten zurück, so schnell es mein geschwächter Körper zulassen wollte. Nicht einmal jetzt, nachdem mir die Frucht als Belohnung gehörte, kam ich auf den Gedanken, meine Erzählung zu unterbrechen.
    »Folgt der Sonne, folgt dem Gelb, folgt dem Flötenspieler der Zauberstraße, der uns vom Affendasein zum Menschenleben geführt hat…«
    Ich aß die Frucht erst, als ich innehielt, und ich hielt erst inne, als ich die pheromonische Aura der Blume weit hinter mir gelassen hatte. Selbst als ich die gelbe Frucht mit meinen überlangen Nägeln aufriß, selbst als ich große Brocken herunterschluckte und spürte, wie meine Körperzellen in orgasmischer Erleichterung aufschrien, als ihr Ernährungszölibat beendet war, selbst dann noch plapperte ich mutierte Versionen der einzigen Geschichte, die ich zu erzählen hatte, heraus – obwohl, wie ich glaubte, kein Ohr außer meinem da war, das sie hören konnte. Denn nur der Flötenspieler konnte dieses Kind des Glücks auf ihrer Zauberstraße halten, und der Flötenspieler würde nur so lange bei mir bleiben, wie irgend jemand diese Geschichte erzählte.
    Als ich mit meinem Mahl fertig war, erhob ich mich sofort, wandte mich gen Sonnenaufgang und ging immer noch erzählend weiter. Ich wagte es wohl mehrere Stunden nicht, mich umzudrehen.
    Doch als ich es tat, sah ich, taumelnd und schwitzend und mit protestierenden, lange nicht benutzten Muskeln stolpernd, kaum fünfzig Meter hinter mir den Mann, dessen Augen sich bei der Purpurblume einen Augenblick aus dem Nichtbewußtsein gelöst hatten, um meinem Blick zu begegnen.
    Er mußte schon seit Stunden die Worte meiner Geschichte aufgesogen haben, von der Begeisterung über das neue Geräusch einer menschlichen Stimme aus dem Bann seiner Blume gerissen, um gebannt der Musik zu folgen oder vielleicht auch um halbbewußt den Worten des Liedes zu

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