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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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treffen? Denn sind nicht alle Geschichten, die der Geist sich irgendwie selbst zu erzählen vermag, Halluzinationen, Träume und geheimnisvolle mystische Visionen?
    Wenn nun der Pater Pan, der aus dem Antlitz der Sonne zu mir sprach, eine Schöpfung meines träumenden Geistes war und wenn die Worte, die er sprach, nur ein Teil meiner eigenen Geschichte waren – hatte ich dann nicht das Lied, daß ich mir selbst vorsang, von genau diesem Mann gelernt, der jetzt im Traum zu mir sprach? So mag ich es alles geträumt haben, doch so überwand auch der wahre Geist eines Geliebten die Beschränkungen von Raum und Zeit, um in dieser Stunde der Not bei mir auf dem Bloomenveldt zu sein.
    »Folge dem Flötenspieler der Zauberstraße, folge dem Pfeifer der Bloomenkinder fort von den alten. Blumen, muchacha«, sagte Pater Pan, als wir nackt an einem Kristallteich in einem Lustgarten hoch auf einem Plateau im großen Edoku saßen, während ich über das nächste Blatt lief.
    Denn die Landschaft, durch die ich reiste, hatte jetzt eine nichtdualistische Logik angenommen, die genau der eines klaren Traums entsprach. Während ich die gelbe Sonne über der endlosen grünen Ebene scheinen sehen konnte, so deutlich, daß ich mich stetig nach Osten bewegte wie im Wachen, besaß die Geschichte, die ich mir erzählte, die Kraft, zur gleichen Zeit überlagernde Visionen in der Traumzeit heraufzubeschwören.
    »Einst waren wir alle Bloomenkinder im Duftgarten von Eden, Sunshine«, erklärte Pater mir, während er sein Vielfarbiges Tuch um die Schultern legte und seine Namensgeschichte begann. »Nun werde ich dich zum Goldberg führen, wie ich dich aus der Stadt des Pentagon zu den langen, langsamen Jahrhunderten zwischen den Sternen führte.«
    Und jetzt, obwohl ein Teil von mir wußte, daß mein Körper sich immer noch durch das Bloomenveldt schob und dabei immer schwächer wurde, wanderte ich in der Traumzeit durch die Straßen des großen Edoku, allein und ohne Geld, während meine Blase genauso dringend Erleichterung verlangte, wie mein Magen in den Baumwipfeln nach Essen schrie.
    »Weißt du noch?« sagte Paters Stimme in meinem Ohr. »Weißt du noch, wie du in den Straßen des großen Edoku ein freies Wesen wurdest, das von der Kraft seines Geistes lebte?«
    Während ich mich durch die großen Blätter der Baumwipfel schob, verfolgte ich zwei Gypsy Joker durch die Straßen und Parks, um ihren Lagerplatz zu finden, und wenn ich ins goldene Antlitz von Belshazaars Sonne starrte, dann war es meine erste direkte Begegnung mit Pater Pan vor den Duschkabinen.
    »Wir haben jahrtausendelang eifrig Geschichten erzählt, bis wir den letzten Triumph der Kunst der Geschichtenerzähler erringen konnten – unser eigenes, großartiges, bewußtes Selbst«, sagte Pater, als wir uns bewundernd betrachteten. »Hast du nicht die Gabe deines Mundwerkes bemerkt?« sagte er, als wir in seinem Zelt auf dem Bett lagen.
    »Also erzähle die Geschichte der Flötenspielerin des Bloomenveldts, muchacha«, sagte er, als er die Gypsy Joker verabschiedete und sich gegen die Bonsai-Berge zurücklehnte.
    Schließlich fand ich auch in der Traumzeit meine Stimme. »Was ist die Geschichte der Flötenspielerin des Bloomenveldts?« hörte ich mich fragen.
    Und das Geräusch meiner eigenen Stimme beförderte mich in die seltsamste Traumzeit von allen. Ich ging jetzt auch im Traum über das Bloomenveldt, ich folgte Belshazaars Sonne zur Küste, und der einzige Unterschied zwischen der beobachtbaren Realität und der Traumzeit meines Geistes war, daß in der Traumzeit Pater Pan neben mir ging.
    »Die einzige Geschichte, die es zu erzählen gibt«, sagte er mit einem seltsamen Lächeln.
    »Wie endet diese Geschichte?« wollte ich wissen.
    »Diese Geschichte endet nie, Geschichtenerzählerin.«
    Als ich mich selbst mit diesem Geist in einer Traumzeit-Landschaft, die identisch mit der des Wachbewußtseins war, diskutieren hörte, begann sich der Bann des Ganges aufzulösen, wie man in einem Traum gelegentlich mit sich spricht und dabei erwacht oder wie ein wichtiges Ereignis, das sich in die Bilder der Traumzeit verwandelt hat, den Schlafwandler wecken kann, so daß er im Traum des Lebens zu sich kommt.
    »Wann werde ich aus ihm erwachen?« sagte ich, als Pater Pans Abbild zu verblassen begann wie Nebel, der in der aufgehenden Sonne verbrennt.
    »Wenn die Flötenspielerin die Bloomenkinder von Hameln zu den weitverstreuten Menschenwelten zurückführt«, sagte das Antlitz der

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