Kind des Glücks
Sonne, als ich mich durchs Blattwerk schob.
»Dann laß mich nicht ohne dein Lied hier draußen zurück!« rief ich, als die Vision verblaßte.
»Pas Problem, schöne Dame«, sagte eine körperlose Stimme.
»Denn jetzt weißt du, wer die Flötenspielerin des Bloomenveldts ist, nicht wahr, Geschichtenerzählerin…?«
»Jeder, der die Geschichte erzählt!«
Und ich tauchte aus der Traumzeit wieder auf und rief die Worte über das Bloomenveldt. Ich sah mich abermals mit dem Meer von windbewegtem Grün unter einer heißen gelben Sonne konfrontiert, und es war kein Pater Pan an meiner Seite und keine Stimme außer meiner eigenen und der des Windes, die in den Ästen murmelte. Ich war schwach und hatte einen schwindelnden Kopf vom Hunger, der weit über die Signale des Magens hinausging und meine Zellen selbst erfaßte; ich war eine zerlumpte, gebückte Gestalt, deren Kreislauf kurz vor dem Zusammenbruch stand.
Doch ich war nicht allein.
Denn ob der Flötenspieler, der mich hergebracht hatte, eine Erfindung aus der Geschichte war, die ich mir in der Traumzeit selbst erzählte, oder ob mich in ihr ein Bruchstück des Geistes eines Geliebten getröstet hatte oder ob dies in Wirklichkeit auf einer Ebene, die kein Wachbewußtsein je verstehen kann, dasselbe war – mein Gang durch die Traumzeit mit diesem Geisterführer hatte mich auf jeden Fall zu dieser einsamen purpurnen Blume gebracht.
Vier Menschen saßen auf ihren samtenen Blütenblättern und verschlangen gierig die runden, gelben Früchte. Ihre massigen Körper und die zerlumpten Kleiderfetzen waren ein deutlicher Hinweis darauf, daß sie einst bewußte Bürger der Menschenwelten gewesen waren.
Während meines Ganges durch die Traumzeit hatte ich das Land der Bloomenkinder hinter mir gelassen. Nur das Grenzland der verlorenen zivilisierten Seelen lag noch zwischen mir und der Küste.
23
Ich war aus dem Land der wahren Bloomenkinder aufgetaucht mit der Geschichte des Flötenspielers auf den Lippen, und ich tauchte aus der Traumzeit auf mit der Geschichte, die ich gelernt hatte oder die mir gegeben worden war oder die ich mir dort selbst erzählt hatte. Ich hatte die Geschichte immer noch auf den Lippen, und ich unterbrach meine Erzählung nicht, als ich zur purpurnen Blume taumelte.
»Einst waren wir Bloomenkinder im Duftgarten von Eden«, informierte ich überflüssigerweise die beiden Männer und die beiden Frauen, die ungestört ihre Aufmerksamkeit weiter auf die gelben Früchte richteten und sich nicht einmal durch meine bizarre Erscheinung unterbrechen ließen. »Nun bittet uns der Flötenspieler der Zauberstraße, dem Arkie-Funken in unserem Herzen von den Blumen der Vorfahren zu den weitverstreuten Menschenwelten zu folgen…«
Vielleicht war ich in gewisser Weise immer noch in der Traumzeit, denn während ein Teil von mir langsam auf die purpurne Blume und ihre Jünger zuging, stand ein anderer Teil von mir vor dem Vulkan des Luzplatzes und versuchte, die eiligen Edojin zu bewegen, meiner Erzählung Gehör zu schenken. Denn wirklich, für das Bewußtsein, das am Rande der Blumenaura innehielt, war es fast dasselbe.
Ich konnte einen schwachen Duft von süßer und saurer Saftigkeit schmecken, und die Zellen meines Körpers plapperten drängend, ich solle über die gelben Früchte herfallen. Ich wußte, daß hier am Küstenstreifen des Bloomenveldts die Entwicklung der Blumen und die Rückentwicklung der Menschen noch nicht bis zur perfekten Symbiose zwischen Blumen und Bloomenkindern fortgeschritten war. Diese dicken, fressenden Wesen waren keine Bloomenkinder, sondern ehemals bewußte Wesen, die zufällig dem Bann viel gröberer Pheromone verfallen waren; letztere waren nicht geschaffen, um Menschen festzuhalten, sondern um die primitiveren Gehirne der eingeborenen Säuger des Waldes zu kontrollieren. Hier mochte ein starker Wille ausreichen, um gegen diese weniger mächtigen Moleküle zu bestehen.
Im Edoku meiner Traumzeit wußte ich, daß ich mit der Kraft des Wortes allein das zum Überleben nötige Ruegelt verdienen mußte, wenn auch meine Geschichte außer meinen eigenen keinen anderen Ohren gefallen mußte. Denn solange ich meine Geschichte erzählte, solange ich meine eigene Stimme mein eigenes Lied singen hörte, solange ich Sunshine die Geschichtenerzählerin blieb, so lange würde ich auf der Zauberstraße bleiben, denn es gab nur einen camino real des Wissens durch den Wald der Unwissenheit – den Weg des Wortes, auf
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