Kind des Glücks
zumindest nicht für einen jugendlichen Geist, dem das Leben eines Kindes des Glücks noch neu war, denn jede wache Stunde bot eine ungeheure Auswahl möglicher Zerstreuungen, um nicht zu sagen eine Unzahl von Ablenkungen, die jeden Gedanken an ertragreiche Arbeit davonwehten. Es gab Jongleure, Zauberkünstler, Sänger, Musiker und so weiter, die über das Gelände wanderten, und für einen Gypsy Joker war der Eintritt zu den Shows und Vorstellungen in den Zelten frei. Ganz zu schweigen von den unendlichen Möglichkeiten für müßige Stunden mit Liebesaffären, wenn letzteres auch für einen Erntearbeiter im Weinberg der tantrischen Kunst ein wenig den Reiz verlor.
Außerdem hatte ich das Beispiel des vielseitigen Pater Pan, der nach der Definition unseres Stammes das ideale Kind des Glücks verkörperte – weit stärker daran interessiert, der Hansdampf in allen Gassen zu sein, als ein wahrer Meister in einem Gewerbe zu werden –, und ihn versuchte ich naturellement zu erfreuen, indem ich ihm nacheiferte.
Außerdem beschränkten die Gypsy Joker ihre Tätigkeit nicht auf das Lager; die Straßensänger, die sich durch unser Camp drängten, streiften auch durch die nähere Umgebung und gaben gegen Spenden improvisierte Vorstellungen in den Straßen. Ebenso verließen die Imbißverkäufer des Stammes, die Verkäufer von Schmuck und Schnickschnack und von einfachem Kunstgewerbe die Grenzen unserer Zeltstadt. Der Straßenhandel wirkte wie eine Werbung für unseren Karneval; und umgekehrt belebte der Mythos der ewigen Feier unseren Straßenhandel.
Pater Pan erklärte oft genug, daß die richtige Umgebung für ein Kind des Glücks die Straßen seien, inmitten des alltäglichen Gedränges der Menschenwelten; dort konnten wir unsere Rollen am besten spielen – als Troubadoure und Tinker, Zigeuner und Hippies; denn indem wir auf allen Welten die Rolle des freien Geistes spielten, trugen wir unseren Teil dazu bei, den Geist der Menschen in Freiheit zu halten. Damit, erklärte er uns, fiel der Gewinn von Geld mit einem gewissen Gefühl des noblesse oblige zusammen.
So großartig dies schien, es dämmerte mir, daß es an der Zeit war, mich aus den gemütlichen Grenzen des Lagers herauszuwagen, aus dem Camp, das meine Heimat geworden war, hinaus in die Straßen Edokus, wo ich einmal ein hilfloses Mädchen gewesen war, wo ich nun aber das bunte Banner der Gypsy Joker tragen würde als Soldatin der Kinderkreuzfahrt, deren Heiliger Gral das zu gewinnende Ruegelt war.
Während der Geist willig war, waren meine Fähigkeiten, um es vorsichtig auszudrücken, etwas beschränkt. Ich konnte nicht singen, tanzen, jonglieren, zaubern oder ein Instrument spielen, und die Gelegenheiten für tantrische Darbietungen auf belebten Durchgangsstraßen waren selten. Dennoch war es mein Wunsch, mich als wahres Kind des Glücks in die Straßen zu wagen, so daß ich schließlich meinen Stolz herunterschluckte und mich herabließ, mich im Gewerbe der Straßenhändler zu versuchen.
Indem ich meinen erotischen Charme einsetzte, gewann ich rasch die Gunst von Dani Ben Barma, einem Jungen, der zwar nicht gerade mit einem Meisterkoch verwechselt werden konnte, der aber dennoch als unser bester Künstler in der Zubereitung von Schnellgerichten galt. Ich trieb mich einige Tage in der Nähe der Glastürme mit Tabletts seiner Leckereien herum und bot eine raffinierte Auswahl von Gebäck in verschiedenen Geschmacksrichtungen feil, gefüllt mit allen Arten von Fleisch, Gemüse, süß-saurem Fleisch, Cremes und freigebig mit allen möglichen leichten Drogen gewürzt; ich wußte genau, daß ich keine bessere Ware als diese zum Verkaufen finden konnte.
Doch um die Wahrheit zu sagen – obwohl ich mich jeden Tag mit großen Hoffnungen aufmachte, kehrte ich mehr als einmal mit nur wenigen Münzen und einem großen Stapel altbackener Kuchen zurück. Denn sobald ich auf der Straße war, fehlten mir das Geschick und die Begeisterung, ständig mit lauter Stimme die Vorzüge meiner Ware anzupreisen oder die Leute direkt anzusprechen; statt dessen bestand meine Technik darin, ziellos und benommen herumzuwandern, mit dem überheblichen Gesichtsausdruck eines Mädchens, das einer weit unter seinem Niveau liegenden Aufgabe nachgeht.
Schließlich mußte sogar Dani, obwohl durch meine beständige tantrische Zuwendung etwas parteiisch, mir vorschlagen, meine Dienste einem anderen Unternehmen anzubieten.
Ich hatte kaum mehr Erfolg beim Verkauf von bestickten Schärpen,
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