Kind des Glücks
seinem Zelt an Pater Pan und bat ihn um Rat.
»No problem, Mädchen«, erklärte er mir leichthin nach einer nicht sehr überzeugenden Erläuterung meiner Wünsche. »Denn du wirst doch kaum Schwierigkeiten haben, einen männlichen Meister der Kunst zu überzeugen, dich kostenlos zu unterweisen!«
In seine schützenden Arme gekuschelt, nickte ich zustimmend. »Aber welche Kunst könnte das sein?« sagte ich.
»Das weißt du nicht?« sagte er einigermaßen verblüfft.
Ich zuckte die Achseln. »Wenn ich singe, gefällt mir meine Stimme nicht besonders, wenn ich ein Instrument spielen will, habe ich zwei linke Hände, für Zauberei interessiere ich mich nicht und genausowenig fürs Jonglieren oder Tanzen…«
Pater lachte. »Dann lerne bei einem Straßentheater«, riet er mir. »Du kannst kaum zehn Minuten reden, ohne dein schauspielerisches Talent zu zeigen!«
Ich wägte diesen Gedanken im Geiste ab; einerseits schienen mein Leben auf Glade und mein kleiner Erfolg auf Edoku ein gewisser Hinweis auf mein Talent beim Rollenspiel zu sein, andererseits waren es immer meine eigenen Schöpfungen gewesen, und wenn ich daran dachte, den Worten anderer Menschen eine Stimme zu verleihen, bekam ich einen Geschmack im Mund, der mir nicht besonders gefiel.
Ich schüttelte den Kopf. »Irgendwas gefällt mir dabei nicht…«
»Qué?«
»Je ne sais pas…«
»Wenn du nicht, wer dann?« fragte Pater. »Sag es, Mädchen, ich befehle dir, die freie Sprache deines Herzens zu sprechen!«
Etwas in seinem Tonfall, eine geheimnisvolle Zauberei und persönliche Kraft, brachte mich tatsächlich dazu, dem Wirrwar meiner ungeformten Gedanken freien Ausdruck zu geben.
»Ich will tun, was du tust, Pater, was heißen soll, ich möchte wie du sein, oder besser, meine eigene Version des Geistes, den wir teilen, wie du sagst; ich will das Leben führen, von dem ich spreche, oder mein Leben erklären lassen, wer ich bin. Ich meine, du sprichst davon, vraiment, der Sänger würde zum Lied – metaphorisch natürlich –, aber ich hab’ nicht die Nerven, einem Publikum mein Geschnatter aufzutischen, ich meine, das ist… Merde!«
Ich warf die Hände in die Luft und schnaubte frustriert, konnte das Geheimnis nicht fassen, nach dessen klarem Bild ich suchte.
Doch Pater Pan verstand mehr als die Worte, die ich sprach, oder vielleicht konnte er die unbewölkte Vision hinter meinem Wortnebel sehen. »Aha!« rief er. »Du willst eine Geschichtenerzählerin werden, obwohl du es vielleicht selbst noch nicht weißt.«
»Eine Geschichtenerzählerin? Ich?«
Einerseits brachte seine Erklärung in meinem Geist eine Saite zum Klingen, doch andererseits hatte ich solch eine Idee nie ernsthaft in Betracht gezogen. Gewiß, das Geschichtenerzählen erforderte keine musikalischen Fähigkeiten und keine physische Geschicklichkeit. Außerdem war man nicht darauf beschränkt, die von einem anderen geschaffene Rolle zu spielen oder die Worte eines anderen auszusprechen. Au contraire, ein Geschichtenerzähler brauchte nur seine Geschichten, einen Ort für den Auftritt und das Geschick, auf der Straße zu stehen und die Erzählung zu beginnen, im Vertrauen darauf, daß die Passanten von der Kunst bewegt wurden, zu lauschen und für die Geschichte einen Obolus zu leisten.
»Geschichtenerzähler…?« wiederholte ich erheblich nachdenklicher. »Ich…?«
»Du hast doch gewiß deine Gabe zum Plappern bemerkt?« sagte Pater trocken. »Deine tantrische Kraft hat dir Zugang zu meinen Armen verschafft, doch es war die Kraft deiner Worte, die dich zur Gypsy Joker machte, ohne daß du die Gebühr bezahlen mußtest!«
Ich litt nicht so sehr an falscher Bescheidenheit, daß ich diese offensichtliche Wahrheit abstritt. Nachdem ich dieses Satori von meinem Guru akzeptiert hatte, konnte ich leicht einsehen, daß ich immer meine Worte und die Wendungen, die ich ihnen gab, benutzt hatte, um gewisse Dinge zu erreichen. Meine Karriere als femme fatale in Nouvelle Orlean wäre gescheitert, wenn ich mich nur auf meine bescheidenen tantrischen Fähigkeiten verlassen hätte; doch ich hatte seit meiner Initiation mit Robi genau gewußt, daß Worte ein wichtiger Teil des erotischen Rüstzeuges waren. Wirklich, hatte ich nicht sogar meine Eltern zu einem Waffenstillstand gezwungen, indem ich ihre eigenen Worte gegen sie verwandte? Hatte ich nicht schließlich die unverständlichen Edojin bewegt, mir ein Hotel zu nennen, indem ich sie in ihrem eigenen wortreichen Sport schlug?
Und was
Weitere Kostenlose Bücher